Axel Plankemann
Das Urteil spricht vornehm-zurückhaltend von einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ – im Klartext: Steuerhinterziehung. Ein Ingenieur traf eine solche Abrede mit seinem Bauherrn.
Als er einen schweren Vermessungsfehler machte und dafür haften sollte, argumentierte er auf vermeintlich kreative Art: Der Vertrag ohne Rechnung sei insgesamt nichtig; der Fehler könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Damit hatte er allerdings nur bis zur zweiten Instanz Erfolg. Der BGH hat dagegen entschieden (Leitsätze):
Ob ein Werkvertrag aufgrund einer Ohne-Rechnung-Abrede insgesamt nichtig ist, richtet sich nach § 139 BGB. Hat ein Ingenieur seine Leistungen mangelhaft erbracht und hat sich dieser Mangel im Bau bereits verkörpert, handelt er regelmäßig treuwidrig, wenn er sich zur Abwehr von Schadensersatzansprüchen des Bestellers darauf beruft, die Gesetzwidrigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede führe zur Gesamtnichtigkeit des Werkvertrags.
(BGH, Urteil vom 24.04.2008 – VII ZR 140/07)
Sachverhalt
Der beklagte Ingenieur war mit Vermessungsarbeiten für den Neubau eines Einfamilienhauses beauftragt worden. Für das Honorar war vereinbarungsgemäß weder eine Rechnung zu erstellen noch eine Quittung zu erteilen. Infolge eines Vermessungsfehlers wurden Haus und Carport falsch platziert, wodurch dem Kläger ein Schaden von über 30.000 Euro entstand.
Das Landgericht als erste Instanz und auch das Oberlandesgericht in der Berufung hatten die Schadensersatzklage mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei wegen der Ohne-Rechnung-Abrede gemäß §§ 134, 138, 139 BGB nichtig. Immerhin ließ das Oberlandesgericht die Revision zu, da die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Folgen einer solchen Abrede nicht einheitlich sei.
Entscheidung
Der BGH verwirft die Auffassung der Vorinstanzen, dass wegen der Nichtigkeit der Abrede dem Kläger keinerlei vertragliche Schadensersatzansprüche zustehen; eine solche Abrede diene nämlich der Ermöglichung und Absicherung einer Umsatzsteuerverkürzung und sei gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig, wobei die Nichtigkeit sich gemäß § 139 BGB auf den gesamten Vertrag erstrecke. Der Ausschluss vertraglicher Rechte, so die Vorinstanzen, sei aber gerade der Zweck dieser Regelungen.
Nach Auffassung des BGH hält dies einer rechtlichen Nachprüfung in den entscheidenden Punkten nicht stand. Zwar ist die Ohne-Rechnung-Abrede unwirksam. Der Beklagte könne sich aber auf eine mögliche Gesamtnichtigkeit des Werkvertrages gemäß § 139 BGB nach Treu und Glauben nicht berufen.
Im vorliegenden Fall sei nicht davon auszugehen, dass die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Vertrages war und dieser schon aus diesem Grunde insgesamt unwirksam gewesen sei. Hauptzweck des Vertrages sei vielmehr die ordnungsgemäße Erbringung der vereinbarten Ingenieurleistungen gewesen. Nichtig hingegen war zweifellos die auf die Steuerhinterziehung gerichtete Ohne-Rechnung-Abrede als Teil des Gesamtvertrages.
Auf eine etwaige Gesamtnichtigkeit des Werkvertrages könne sich der beklagte Ingenieur nach Treu und Glauben nicht mehr berufen, nachdem er seine Leistung erbracht hatte und auf dieser Grundlage die Gebäude errichtet worden waren.
Vermessungsarbeiten, so der BGH, sind regelmäßig Grundlage der an dem Grundstück des Bestellers zu erbringenden Bauleistungen. Werden die Bauleistungen aufgrund einer fehlerhaften Vermessung ausgeführt, so sind sie selbst mangelhaft, sodass das Eigentum des Auftraggebers mit den hieraus folgenden Nachteilen nachhaltig belastet ist. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann daher der beklagte Ingenieur gegenüber dem vertraglichen Schadensersatzanspruch seines Auftraggebers nicht einwenden, der Werkvertrag sei wegen der Ohne-Rechnung-Abrede insgesamt nichtig.
Eine Rückabwicklung des Vertrages (das heißt die Rückgabe der Leistung) als regelmäßige Folge eines nichtigen Vertrages kommt bei einer bereits erbrachten und umgesetzten planerischen Leistung, die sich in einem mangelhaften Bauwerk bereits verkörpert hat, regelmäßig nicht in Betracht. Hat der Auftragnehmer in Kenntnis einer gesetzeswidrigen Ohne-Rechnung-Abrede seinerseits vertragliche Leistungen erbracht, verstößt er gegen Treu und Glauben, wenn er bei einem von ihm selbst verursachten Schaden und im Widerspruch zu seinem bisher auf Erfüllung des Vertrages gerichteten Verhalten die auch zu seinem eigenen gesetzeswidrigen Vorteil dienende Steuerverkürzungsabrede zum Anlass nimmt, sich aus der Verantwortung für die Mangelhaftigkeit der eigenen Leistung fortzustehlen und sich den Folgen seiner mangelhaften Leistung am Eigentum seines Auftraggebers zu entziehen.
Fazit
Mit dieser Entscheidung hat der BGH eine bislang sehr unterschiedliche Rechtsprechung fortentwickelt und vereinheitlicht. Schon aus diesem Grunde ist das Urteil zu begrüßen. Denn es ist auch einem Laien kaum verständlich zu machen, warum bei einer gesetzeswidrigen, der Steuerverkürzung dienenden Abrede der zudem noch mangelhaft und schadensträchtig leistende Vertragspartner völlig ungeschoren davonkommen soll. In einer Parallelentscheidung hat der BGH diese Grundsätze sinngemäß auch für den Fall einer mangelhaften Bauleistung bestätigt (VII ZR 42/07).
Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.
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