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VOF-Verfahren: Losen verboten?

Die 1. Vergabekammer des Bundes hält eine Reduzierung der Bewerberzahl durch Losverfahren nur ausnahmsweise für zulässig.

01.03.20085 Min. Kommentar schreiben
Losverfahren: Auswahl oder zufälliges Ergebnis?

Axel Plankemann

Für Vergabeverfahren, sei es im Rahmen eines Architektenwettbewerbs oder eines sonstigen Verhandlungsverfahrens, findet sich europaweit grundsätzlich eine große Anzahl von Interessenten. Bei attraktiven Wettbewerben sind Hunderte von Bewerbern keine Seltenheit, Gleiches gilt für andere Verfahrensgestaltungen. Für den Auslober bedeutet die große Zahl in jedem Fall eine organisatorische Herausforderung, die durch die Klippen des Vergabeverfahrens weitere Schwierigkeiten bereithält. Besonders der Dokumentationsaufwand für die Entscheidungskette von der Auslobung bis zur Auftragsvergabe ist beträchtlich.

Die bereits jetzt gelegentlich überzogene Auslobungs- und Bewertungsmathematik wird künftig weiteren Auftrieb erhalten, wenn sich die Auffassung der 1. Vergabekammer des Bundes im Beschluss vom 14.6.2007 (VK 1-50/07) durchsetzen sollte. Die Kammer beanstandete ein Losverfahren und fordert stattdessen eine intensive Auswahl nach „transparenten objektiven Kriterien“. Zwar ging es dabei um ein Vergabeverfahren nach VOB/A und VOL/A. Die ­Argumentation zum Losverfahren lässt sich aber auf VOF-Verfahren übertragen.

Transparente objektive Kriterien

Im zu entscheidenden Fall hatte die Ausloberin für das Vorauswahlverfahren generelle Anforderungen an die wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der Bewerber (vgl. dazu §§ 10 bis 13 VOF) gestellt, deren Einhaltung von den Bewerbern nachzuweisen war. Dazu gehörten unter anderem Referenzen für vergleichbare Leistungen und Angaben zum Personal.

Die Höchstzahl der Bewerber, die zur Teilnahme am abschließenden Verhandlungsverfahren aufgefordert werden sollten, wurde auf fünf Teilnehmer beschränkt. Für den Fall, dass mehr gleichwertige Bewerber die Vorauswahl überstanden hätten, sollte das Los entscheiden. Nachdem eine Vielzahl von Bewerbungen eingegangen war, die nach Auffassung der Ausloberin grundsätzlich geeignet waren, wurde per Losverfahren eine Auswahl getroffen.

Dieses Verfahren hat die Vergabekammer beanstandet. Nach ihrer Auffassung waren die Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB dadurch verletzt worden, dass die Ausloberin „keine transparenten objektiven Kriterien“ genannt hatte, nach denen die Bewerber im Teilnahmewettbewerb (vor-)ausgewählt wurden. In der Vergabebekanntmachung hätten objektive, nicht diskriminierende, auftragsbezogene Kriterien angegeben werden müssen, nach denen dann die Auswahl zwischen den auf der ersten Stufe gleich geeigneten Bewerbern vollzogen werden sollte.

Das war im vorliegenden Fall nicht geschehen. Vielmehr hatte die Ausloberin nur solche Kriterien aufgestellt, die eine generelle Eignung zur Auftragserfüllung belegten. Dagegen hatte sie keine Kriterien angegeben, nach denen bei mehr als fünf geeigneten Bewerbern diejenigen ausgewählt werden konnten, mit denen letztlich über die Auftragsvergabe verhandelt werden sollte. Stattdessen war ein Losentscheid vorgesehen.

Nach Auffassung der Vergabekammer handelt es sich beim Losentscheid nicht um ein objektives, auftragsbezogenes Auswahlverfahren, sondern um eine Auswahl der Bewerber „nach dem Zufallsprinzip“. Mit dem das Vergaberecht beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB) sei ein Losverfahren nicht zu vereinbaren, das seiner Natur nach nicht die Auswahl der besten Bewerber zum Ziel habe, sondern zu einer zufälligen Bewerberauswahl führt. Eine Reduzierung der Bewerberzahl durch Losentscheidung, so die Vergabekammer, ist daher nur dann zulässig, wenn der öffentliche Auftraggeber unter den eingegangenen Bewerbungen eine rein objektive Auswahl nach qualitativen Kriterien unter gleich qualifizierten Bewerbern nicht mehr nachvollziehbar durchführen kann. Voraussetzung soll aber in jedem Fall sein, dass bereits bei der Vorauswahl neben den generellen Eignungskriterien im Hinblick auf die erwartete fachliche Leistung „weitere objektive Kriterien“ aufgestellt werden.

Mit ihrem Beschluss schafft die Vergabekammer neue Probleme. Für die Vergabe nach der VOF führen die von ihr gestellten Anforderungen zu einer sachwidrigen Vermischung von Kriterien der Vorauswahl nach § 10 bis 13 VOF mit den Kriterien der Auftragserteilung nach § 16 Abs. 3 VOF. Denn bereits auf einer frühen Stufe der Vorauswahl sollen grundsätzlich geeignete Bewerber anhand von Auftragskriterien beurteilt und ausgewählt werden. Das widerspricht dem vergaberechtlichen Grundsatz einer strikten Trennung von personenbezogenen Kriterien der Eignung und auftragsbezogenen Zuschlagskriterien (vgl. EuGH vom 24.1.2008, RS C-532/06; OLG Frankfurt vom 28.2.2006 – 11 Verg 16/05).

Es ist zu erwarten, dass gerade bei voraussichtlich hohen Teilnehmerzahlen die ohnehin schon zu beobach­tende Tendenz zur Mathematisierung des Vorauswahlverfahrens mit ausdifferenzierten Punkte- und Bewertungstabellen weiter zunehmen wird. Gleichzeitig ist jedenfalls für VOF-Verfahren klar, dass eine Überbewertung quantifizierbarer „Papierform“ (Auftragsvolumen, Mitarbeiterzahl, technische Büroausstattung, Umsatz etc.) nicht zwangsläufig zur Auswahl des qualitativ geeigneten Bewerbers führt.

Mehr Bürokratie?

Die Feststellung, das Losverfahren führe nicht im Wortsinn zu einer Auswahl, sondern zu einem eher zufälligen Ergebnis, vermag jedenfalls dann nicht zu überzeugen, wenn die Bewerbungen anhand der Vorauswahlkriterien auf dieser Ebene ausreichend differenziert beurteilt werden können. Wann ein öffentlicher Auftraggeber die von der Vergabekammer geforderte rein objektive Auswahl nach qualitativen Kriterien unter gleich qualifizierten Bewerbern nicht mehr nachvollziehbar durchführen kann, wird sich in vielen Fällen mit letzter Sicherheit nicht feststellen lassen. So droht womöglich eine weitere Bürokratisierung von Vergabeverfahren unter Hinweis auf Vergabegrundsätze, die durch Losverfahren tatsächlich gerade nicht beeinträchtigt werden (Transparenz, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit).

Im vorliegenden Verfahren hat sich die Vergabekammer womöglich daran gestoßen, dass die Ausloberin offensichtlich nicht einmal den Versuch unternommen hatte, bei der Vorauswahl ausreichende Kriterien zu definieren und stattdessen ohne Weiteres zur Auslosung überging. Für VOF-Verfahren sollte diese Entscheidung berücksichtigt werden, auch wenn es in diesem Beschluss nicht um ein solches Verfahren ging.

Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.

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