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Wann haben Architekten ein Leistungsverweigerungsrecht?

Konflikte zwischen Architekten und ihren Bauherren können so weit gehen, dass die Architekten ihre Arbeit einstellen wollen. Doch wann ist das gerechtfertigt?

01.03.20236 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wann besteht ein Leistungsverweigerungsrecht?“ im Deutschen Architektenblatt 03.2023 erschienen.

Von David Mattern und Frederik Ulbrich

In jüngerer Zeit rücken Leistungsverweigerungsrechte wieder in den Mittelpunkt gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die Leistungseinstellung des Architekten führt nicht selten zur Eskalation der Vertragsbeziehung, die schlussendlich in der außerordentlichen Kündigung durch den Auftraggeber münden kann. In der Folge entfacht sich der Streit über die Rechtmäßigkeit von Leistungsverweigerung und Kündigung. Erfolgte die Leistungsverweigerung zu Unrecht, wird der Auftraggeber vom Architekten die verzögerungs- und kündigungsbedingten Mehrkosten verlangen. Dies gilt es zu vermeiden! Dem fehlerhaften Umgang mit der Leistungsverweigerung kann durch sichere Kenntnis der Rechtslage vorgebeugt werden.

Leistungsstopp bei ausbleibender ­Abschlagszahlung

Das bei Architektenverträgen praxisrelevanteste Leistungsverweigerungsrecht ist die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 Abs. 1 BGB). Die Einrede steht dem Architekten zu, wenn der Auftraggeber seine fällige Hauptleistungspflicht aus dem Architektenvertrag nicht erfüllt. Hauptleistungspflicht des Auftraggebers ist etwa die Zahlung der aus dem Vertrag folgenden Vergütung.

Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass der Architekt grundsätzlich bis zur Abnahme der Planungsleistung zur Vorleistung verpflichtet ist. Wollte man dies uneingeschränkt gelten lassen, könnte sich der Architekt bei ausbleibender Zahlung erst nach Abnahme und Schlussrechnung auf die Einrede des § 320 BGB berufen. Ein Leistungsverweigerungsrecht ließe sich während des Vorleistungszeitraums allein über die sogenannte Unsicherheitseinrede begründen. Dafür müsste nach Vertragsschluss erkennbar werden, dass der Gegenleistungsanspruch durch mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertragspartners gefährdet ist und keine Sicherheit geleistet wird (§ 321 Abs. 1 BGB). Solche Fälle sind äußerst selten.

Zur Förderung von Liquidität und zur Reduzierung des Ausfallrisikos durch eine Insolvenz des Auftraggebers steht dem Architekten nach § 632 a Abs. 1 BGB daher die Möglichkeit zu, die Vorleistungspflicht zu reduzieren, indem für vertragsgemäß erbrachte Leistungen eine Abschlagszahlung verlangt wird. Stellt der Architekt ordnungsgemäß seine Abschlagsrechnung und verweigert der Auftraggeber die Zahlung nach Fälligkeit des Abschlagszahlungsanspruchs ohne Grund, so ist der Architekt grundsätzlich zur Einstellung der Leistung berechtigt (OLG Celle, Urteil vom 18. April 2007, Az.: 14 U 87/06). Die Einrede kann so lange bemüht werden, bis der Vertragspartner die Gegenleistung bewirkt.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Einrede zum Zeitpunkt der Leistungsverweigerung nicht mal erhoben werden muss, um ihre Wirkung zu entfalten. Es genügt, wenn sich der Architekt später, etwa in einem Schadensersatzprozess vor Gericht, erstmalig auf seine Nichterfüllungseinrede beruft. Lagen die Voraussetzungen der Einrede zum Zeitpunkt der Leistungsverweigerung vor, stellt die Nichterbringung der nach dem Vertrag eigentlich geschuldeten Leistungen keine Pflichtverletzung dar. Der Auftraggeber scheitert daher mit seiner Schadensersatzklage.

Leistungsverweigerung nach Anordnung zusätzlicher Leistungen?

Die Leistungsverweigerung durch den Architekten findet in der Praxis auch bei Streitigkeiten über Nachträge im Sinne von §§ 650 q Abs. 1, 650 b BGB statt – zum Teil mit fatalen Folgen für den Architekten. In nach dem 1. Januar 2018 geschlossenen Architektenverträgen steht dem Auftraggeber das Recht zur Anordnung entsprechender Leistungen zu. Erzielen die Parteien keine Einigung über den Preis, hat der Architekt die angeordnete Leistung grundsätzlich erst einmal zu beginnen, selbst wenn Streit über die Höhe der Nachtragsvergütung besteht.

Der Rückgriff auf die Nichterfüllungseinrede ist hier mit besonderer Vorsicht zu genießen, denn die Nachtragsfähigkeit einer Leistung und die damit korrespondierende Vergütungshöhe lassen sich zu diesem Zeitpunkt nicht immer sicher prognostizieren. Angesichts des mit dieser Beurteilung einhergehenden Risikos sollte sich der Architekt selbst nach Durchführung der Nachtragsleistung und Fälligkeit des Abschlags nur dann auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn sich Nachtragsfähigkeit und Vergütungshöhe des Nachtrags ohne Restzweifel ermitteln lassen.

Leistungsverweigerung nach ­Bedenkenhinweis

Die Leistungseinstellung dient nicht allein der Reduzierung des Vorleistungsrisikos. In Fällen, in denen der Architekt pflichtgemäß Bedenken gegen die vorgesehene Ausführung oder vorangehende Planung wegen Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik äußert, der Auftraggeber hingegen die Weisung zur Arbeitsaufnahme erteilt, hat er dieser Weisung grundsätzlich Folge zu leisten. Die Grenze des Weisungsrechts ist indes überschritten, wenn der Auftraggeber auf die Bedenken überhaupt nicht eingeht und auch die geforderte Freistellung von der Gewährleistung begründungslos ablehnt (vgl. aus Sicht des Bauunternehmens: BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984, Az.: VII ZR 65/83). Bei einem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, zum Beispiel die Abstandspflichten, kann der Architekt seine Leistung grundsätzlich und trotz Weisung verweigern.

In den Fällen, in denen der Architekt sehenden Auges Planungsfehler produziert – sei es etwa durch Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik oder gegen bauordnungsrechtliche Vorgaben –, lohnt sich die Prüfung der Handlungsoptionen: Lässt sich der Architekt auf die Weisung seines Auftraggebers ein, droht ihm auch der Verlust seines Haftpflichtversicherungsschutzes. Selbst wenn die Freistellung von der Haftung durch den Bauherrn erklärt wird, könnte es insbesondere bei gefahrträchtigen Maßnahmen vorkommen, dass an den Architekten Ansprüche eines Dritten auf Schadensersatz gestellt werden. Ein weiteres Problem stellt sich bei der Planung entgegen öffentlich-rechtlicher Norm, da dies berufsrechtliche Konsequenzen und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren nach sich ziehen kann.

Konsequenz unberechtigter ­Leistungsverweigerung

Vor einer Leistungsverweigerung ist es ratsam, den Sachverhalt bestmöglich zu ermitteln und auf dieser Grundlage die rechtliche Einschätzung vorzunehmen, um die Gefahr eines bösen Erwachens in einem anschließenden Prozess zu reduzieren. Auch die trivial anmutende Fragestellung, ob der Auftraggeber sich tatsächlich in Zahlungsverzug befindet und damit die Voraussetzung für die Leistungsverweigerung vorliegt, wird häufig nicht hinreichend untersucht. Stellt der Architekt die Leistung unberechtigt ein, so droht ihm neben der Kostenverantwortlichkeit für entsprechende Projektverzögerungen gegebenenfalls sogar die außerordentliche Kündigung des Vertrages nach § 648 a BGB und die damit verbundene Schadensersatzpflicht.

Sicherheiten verlangen

Ein rechtssichereres Vorgehen bei Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des Auftraggebers kann das Sicherungsverlangen nach § 650 f BGB darstellen. Der Architekt kann von seinem Auftraggeber hiernach eine sogenannte Bauhandwerkersicherung für die vereinbarte und noch offene Vergütung einschließlich Nebenforderungen verlangen. Stellt der Auftraggeber die vom Architekten angeforderte Sicherheit, ist das Vorleistungsrisiko abgesichert; wird sie nicht in angemessener Frist beigebracht, kann der Architekt die Fortsetzung der Leistung verweigern.

Dabei gilt es zu beachten: Das Sicherungsverlangen wird den Auftraggeber nicht sonderlich positiv stimmen, da sich die Stellung der Sicherheit nachteilig auf Liquidität (Barsicherheit) beziehungsweise Avallinie (Bürgschaft) des Auftraggebers auswirkt. Hinzu kommt, dass der Architekt dem Auftraggeber die üblichen Kosten der Sicherheit von bis zu zwei Prozent des Sicherungsbetrages pro Jahr zu erstatten hat. Sollte schließlich kein Interesse an der weiteren Vertragsdurchführung mehr bestehen, steht dem Architekten alternativ nach dem fruchtlosen Fristablauf ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Auch ein Aufhebungsvertrag, der einvernehmlich von den Parteien geschlossen wird, kann einen Schlusspunkt setzen. Hierzu halten die Kammern Informationen für ihre Mitglieder vor.

Dr. David Mattern und Frederik Ulbrich sind Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte in Hamburg. Dr. David Mattern ist (zusammen mit Dr. Stefan Bruinier) außerdem Autor des „Praxishandbuches Architektenrecht. Praxisbeispiele, Mustervertrag, Musterbriefe“

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