Text: Martin Obernesser
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) ist am 16.08.2014 in Kraft getreten und regelt zuvörderst, dass Arbeitnehmer seit Anfang 2015 nicht unter Mindestlohn bezahlt werden dürfen. Gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes beträgt dessen Höhe 8,50 Euro brutto je Zeitstunde.
Das Gesetz gilt – selbstverständlich – für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es enthält allerdings keine Definition des Arbeitnehmerbegriffes, sodass auf die maßgebende Rechtsprechung, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG), zurückgegriffen werden kann und muss. Das BAG hat zuletzt in einem Urteil vom 25.09.2013 nochmals bestätigt, dass derjenige Arbeitnehmer ist, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeitdauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist hierbei insbesondere derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.
Flucht in die Selbstständigkeit?
Kein Ausweg ist die Flucht in die Scheinselbstständigkeit, insbesondere der Abschluss von sogenannten Werkverträgen. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahre 2013 nochmals betont, dass der wirkliche Geschäftsinhalt zeige, ob ein Werkvertrag, ein Dienst- oder ein Arbeitsvertrag besteht. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer wird auch nicht durch Auferlegung einer Erfolgsgarantie zum Werkunternehmer.
Der Werkunternehmer ist selbstständig. Er organisiert die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen (!) betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Besteller selbst verantwortlich. Damit scheitert die „Flucht in die Selbstständigkeit“ in der Regel daran, dass der Beschäftigte gerade nicht selbstständig ist, sondern Weisungen unterliegt, die vor allem Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit sowie deren Inhalt betreffen.
Ausnahmen
Das Mindestlohngesetz gilt nicht für:
1. Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung
2. Auszubildende, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden
3. ehrenamtlich Tätige
4. Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung.
Für Praktikanten gelten Sonderregeln – dazu siehe folgende Übersicht.
Dokumentationspflichten
In § 17 hat der Gesetzgeber zudem umfangreiche Dokumentationspflichten normiert. Ein Arbeitgeber, der geringfügig Beschäftigte mit einem monatlichen Gehalt bis zu 450 Euro (§ 8 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches) oder Arbeitnehmer in den in § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweigen (z. B. Baugewerbe) beschäftigt, ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Gleiches gilt für Arbeitgeber, die Arbeitnehmer von einem Verleiher gestellt bekommen.
Die Regelung dient dazu, Manipulationen vorzubeugen, zum Beispiel dann, wenn die Vergütung mit 450 Euro monatlich gleich bleibt, die Zahl der Arbeitsstunden jedoch steigt und damit das Einkommen unter den Mindestlohn sinkt. Sofern Arbeitgeber den Status des geringfügig Beschäftigten erhalten wollen, ist die monatliche Arbeitszeit auf höchstens 53 Stunden begrenzt, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von unter 13 Stunden entspricht.
Die Dokumentationspflicht wurde inzwischen konkretisiert beziehungsweise eingeschränkt. Durch die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung – MiLoAufzV – vom 26.11.2014, die am 01.01.2015 in Kraft tritt, beschränkt sich die Aufzeichnungspflicht für Arbeitnehmer, die ausschließlich mit mobilen Tätigkeiten beschäftigt werden, das heißt insbesondere Mitarbeiter mit Außendiensttätigkeiten, auf die Aufzeichnung der Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit.
Pflichtverletzungen
Die Verletzung der Dokumentationspflicht wie auch die Verletzung anderer Pflichten aus dem Mindestlohngesetz ist gemäß § 21 bußgeldbewehrt. Hier reicht der Bußgeldrahmen bis zu 500.000 Euro. Zudem besteht gemäß § 19 die Gefahr, als Bewerber von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung der Zuverlässigkeit ausgeschlossen zu werden, wenn der Bewerber wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro belegt worden ist.
Haftung des Auftraggebers
Ein weiteres Thema ist die im Mindestlohngesetz geregelte sogenannte Auftraggeberhaftung. Architekten erteilen in der Regel nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung Aufträge an Bauunternehmer, sondern treten, wenn überhaupt, namens und in Vollmacht des Bauherrn für diesen auf. Damit sind sie nicht Auftraggeber und nicht Generalunternehmer. Sie betrifft die Regelung zur „Auftraggeberhaftung“ also nicht unmittelbar. Möglich ist, dass Architekten im Rahmen des ihnen erteilten Auftrages Subunternehmer, das heißt „Sub-Planer“ beauftragen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Generalunternehmerstellung – diese würde nur eintreten, wenn der gesamte Planungsauftrag vergeben würde. Daher scheidet auch insoweit eine Haftung gemäß § 13 aus.
Für Architekten ist das Thema aber in einem Fall besonders relevant: Sollten sie den gesamten ihnen vom Bauherrn erteilten Planungsauftrag an einen oder mehrere „Sub-Planer“ weitergeben, bestünde die Möglichkeit, dass in diesem Fall der Architekt die Position eines Generalunternehmers einnimmt. Dies wäre aber nur der Fall, wenn der beauftragte Architekt selbst keine Leistungen für seinen Bauherrn mehr erbringt, sondern den gesamten von ihm geschuldeten Leistungsumfang „weitergibt“. Dies hat dann Konsequenzen für die Haftung bezüglich des Mindestlohns Gemäß § 13 findet nämlich § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) entsprechende Anwendung.
In diesem § 14 ist geregelt, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers – das heißt des Subunternehmers –, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts wie ein Bürge selbstschuldnerisch haftet. Gehaftet wird vom Auftraggeber „nur“ für das Nettoentgelt. Es handelt sich um eine sogenannte gesetzliche Bürgenhaftung, das heißt, der Auftraggeber haftet für den Nettomindestlohn von Arbeitnehmern der Sub- und Nachunternehmer ohne Weiteres. Es besteht somit für den Auftraggeber eine Ausfallhaftung ohne Einschränkung. Die Haftung gilt auch für eine mögliche Nachunternehmerkette. Es besteht zudem keine sogenannte Exkulpationsmöglichkeit. Für die Haftung des Unternehmers kommt es also nicht darauf an, ob er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher werde seine Zahlungspflicht erfüllen. Die Haftung gemäß § 13 Mindestlohngesetz greift somit – völlig – verschuldensunabhängig ein.
Anders als es sich in der Gesetzesüberschrift von § 13 liest, stellt die zu der in Bezug genommenen Vorschrift von § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz ergangene Rechtsprechung fest, dass der Gesetzgeber keine sogenannte Auftraggeberhaftung angeordnet hat, sondern es sich lediglich um eine Generalunternehmerhaftung handelt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht, soweit ersichtlich, zuletzt in einem Urteil aus dem Jahre 2007 entschieden und somit die Regelungen des AEntG einschränkend am Sinn und Zweck der Vorschriften orientiert ausgelegt. Da § 13 lapidar und uneingeschränkt auf § 14 AEntG verweist, soll diese Rechtsprechung wohl auch im Mindestlohngesetz gelten. Dies wird in der Literatur überwiegend vertreten. Tabulator für rechte Ausrichtungn
Martin Obernesser ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei REMBERT.RECHTSANWÄLTE in Hamburg.
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