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Ist eine Werbetafel an der Grundstücksgrenze erlaubt?

Ist eine Werbetafel an einer Hauswand erlaubt, die direkt auf der Grundstücksgrenze liegt? Und zu welchem Grundstück gehört die Werbeanlage dann rechtlich? Eine Hauseigentümerin hatte auf Genehmigung geklagt.

23.01.20255 Min. Von Andreas Koenen Kommentar schreiben

Im Zentrum von Städten ist der Platz meist rar. Häuser stehen Wand an Wand, und oftmals bis an die Grundstücksgrenze. Ungünstig ist dies, wenn man eine Werbetafel an seinem Haus anbringen möchte. Platz vor oder neben dem Gebäude ist auf dem Grundstück in der Regel nicht (mehr) vorhanden, und in den Hinterhof verirrt sich potenzielle Laufkundschaft nur sehr selten.

Werbetafel im Luftraum über Nachbargrundstück

Eine Eigentümerin aus Hannover ließ sich hiervon jedoch nicht entmutigen. Über dem Nachbargrundstück war ja schließlich noch Platz.

Als Miteigentümerin eines Grundstücks im Steintorviertel von Hannover plante sie, die im Erdgeschoss betriebene Spielhalle zu bewerben und brachte hierfür eine beleuchtete Werbetafel mit der Aufschrift „Spielothek“ an die Grenzwand zum benachbarten Grundstück an.

Das Gebäude überragt das Nachbarhaus erheblich, weshalb über diesem ausreichend Platz vorhanden war. Verankert wurde die Werbetafel in der Wärmedämmung des Gebäudes, die ihrerseits bereits über das Grundstück des Nachbarn ragte. Letztlich befand sich die Tafel vollständig im Luftraum, und zwar über dem Nachbargrundstück.

Werbetafel auf zwei Grundstücken gleichzeitig?

Die zuständige Behörde lehnte die beantragte Baugenehmigung nach dem vereinfachten Verfahren (§ 63 Abs. 1 S. 1 NBauO) ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Werbetafel außerhalb des Baugrundstücks liege und eine Vereinigungsbaulast fehle. Damit verstoße die Werbetafel gegen § 4 Abs. 4 S. 1 NBauO, der fordert, dass eine bauliche Anlage nicht auf mehreren Baugrundstücken liegen darf. Das Vorhaben widerspreche zudem der planungsrechtlich geforderten geschlossenen Bauweise und löse Abstandserfordernisse aus.

Die Eigentümerin erhob hiergegen Klage. Sie trug vor, dass die Werbetafel allein auf dem Nachbargrundstück und nicht auf mehreren Grundstücken gleichzeitig liegen würde. In erster Instanz bekam die Klägerin vom Verwaltungsgericht Hannover noch Recht. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg gab der von der Stadt Hannover daraufhin eingelegten Berufung jedoch im September 2023 statt (Urteil vom 7. September 2023, Az.: 1 LB 3/23).

Die Werbetafel sei zwar an der Wärmedämmung des Gebäudes auf dem Grundstück der Klägerin verankert und würde durch von diesem Gebäude ausgehende Versorgungsleitungen mit Elektrizität versorgt. Die Werbetafel stelle sich folglich als Bestandteil des Gebäudes der Klägerin dar. Weil sie aber vollständig im Luftraum über dem Nachbargrundstück liege, würde das Verbot des § 4 Abs. 4 Satz 1 NBauO Anwendung finden.

Vereinigungsbaulast fehlt

Liege eine Werbetafel auf zwei Baugrundstücken, bedürfe es zu ihrer Legalisierung der Eintragung einer Vereinigungsbaulast (§ 2 Abs. 12 Satz 2 NBauO). Da diese fehle und nach Lage der Akten (aufgrund der fehlenden Bereitschaft des Nachbarn) auch nicht erlangt werden könne, stehe der Errichtung der Werbetafel das Verbot des § 4 Abs. 4 Satz 1 NBauO dauerhaft und endgültig entgegen.

Räumlich auf einem Grundstück, rechtlich auf zwei Grundstücken

Mit dem Urteil hat das OVG Lüneburg klargestellt, dass sich eine bauliche Anlage in rechtlicher Hinsicht auf mehreren Grundstücken gleichzeitig befinden kann, auch wenn sie de facto nur im Luftraum über einem der Grundstücke hergestellt beziehungsweise angebracht werden soll. Entscheidend ist dabei, ob die Anlage in dem anderen Grundstück verankert ist oder aufgrund von Versorgungsleitungen dem Ausgangsgrundstück/-gebäude zuzuordnen ist.

Auch Bauvorschriften außerhalb der Baugenehmigung sind einzuhalten

Ergänzend stellte das OVG Lüneburg klar, dass der vorliegende Verstoß gegen § 4 Abs. 4 S. 1 NBauO den Genehmigungsanspruch der Klägerin ungeachtet der Tatsache hindere, dass ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 S. 1 NBauO durchzuführen war. Zwar umfasse die Prüfung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 NBauO grundsätzlich nicht die Vereinbarkeit der Baumaßnahme mit § 4 NBauO. Verstieße eine Baumaßnahme jedoch gegen Vorschriften, die nicht zum Prüfungsmaßstab gehören, und erkennt die Bauaufsichtsbehörde dies, sei sie gleichwohl nicht verpflichtet, die Baugenehmigung zu erteilen.

Denn die Bauaufsichtsbehörden hätten gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 NBauO darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass Anlagen, Grundstücke und Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht, und zwar auch in Bezug auf die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfenden Vorschriften, entsprechen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats träfe die Bauaufsichtsbehörde deshalb regelmäßig die Pflicht, gegen baurechtswidrige Zustände auf der Grundlage von § 79 Abs. 1 NBauO einzuschreiten. Liegt demzufolge ein Verstoß gegen eine nach § 63 Abs. 1 Satz 3 NBauO nicht zu prüfende Vorschrift des Baurechts vor, sei eine Erteilung einer Baugenehmigung für den Bauherrn auch dann zu versagen, wenn nur außerhalb des Prüfungsumfanges des vereinfachten Verfahrens liegende Normen verletzt wären.

Unabhängig davon kann eine Baubehörde eine Genehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren wegen Verstoßes gegen Normen ablehnen, die nicht Teil des Prüfungsumfangs sind. Andernfalls wäre die Behörde verpflichtet, ein Vorhaben zu genehmigen, gegen das sie später ohnehin (bauordnungsrechtlich) einschreiten müsste. Der Bauherr hat somit stets alle relevanten Vorschriften der Bauordnung zu beachten, auch wenn diese nicht relevant für die Baugenehmigung (im vereinfachten Verfahren) sind.


Prof. Dr. Andreas Koenen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Verwaltungsrecht und Inhaber der Kanzlei Koenen Bauanwälte mit Standorten in Essen, Münster, Bielefeld und Hannover.

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