Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Die Architektenvollmacht“ im Deutschen Architektenblatt 03.2025 erschienen.
Werden Architekten aufseiten der Auftraggeber tätig und übernehmen die Koordination der Baustelle, so findet die Kommunikation zwischen den ausführenden Unternehmen und den Bauherren häufig primär über die Architekten statt. Dies führt dazu, dass die Architekten oft als Vertreter der Bauherren angesehen werden. Kraft ihrer Stellung stehen ihnen auch gewisse Befugnisse zu, die jedoch grundsätzlich vor allem technischer Natur sind.
Darüber hinausgehende rechtsgeschäftliche Vollmachten sind indes oftmals für die Architekten nicht erteilt und ebenfalls nicht durch ihre Position im Projekt gegeben, sodass sie rechtsgeschäftliche Erklärungen weder für den Bauherrn wirksam entgegennehmen noch selbst wirksam abgeben können.
Keine originäre Architektenvollmacht
Früher wurde angenommen, dass Architekten zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugleich auch in einem entsprechenden Umfang zur Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen für die Bauherren berechtigt sein müssen.
Von der Annahme einer solchen originären Vollmacht ist die Rechtsprechung mittlerweile berechtigterweise abgerückt. Es fehle hierfür an einer dogmatischen Grundlage und die Folgen einer solchen originären rechtsgeschäftlichen Vollmacht wären zu weitreichend.
Rechtsgeschäftliche Erklärungen
Zu den rechtsgeschäftlichen Erklärungen der ausführenden Bauunternehmen zählen etwa
- Bedenkenanmeldungen,
- Behinderungsanzeigen,
- Mehrkostenanmeldungen.
Rechtsgeschäftliche Erklärungen der Bauherren sind zum Beispiel
- Kündigung,
- Rücktritt,
- Beauftragung zusätzlicher oder geänderter Leistungen,
- Änderung von Vertragsfristen,
- Vereinbarung von Abschlagszahlungen,
- rechtsgeschäftliche Abnahmen im Sinne des § 640 BGB beziehungsweise § 12 VOB/B.
Abnahme
Durch die rechtsgeschäftliche Abnahme werden die Verjährungsfristen in Gang gesetzt, die Mängelrechte aus § 634 Nr. 1 bis 3 BGB grundsätzlich ausgeschlossen und die Beweislast kehrt sich zugunsten der Unternehmer um. Da die Folgen der rechtsgeschäftlichen Abnahme sehr weitreichend für die Bauherren sind und ein Kostenrisiko bedeuten, ist diese von den Bauherren durchzuführen und das Abnahmeprotokoll auch von ihnen zu unterschreiben (siehe auch Orientierungshilfen der Architektenkammern zur Abnahme oder Ratgeber „Abnahme und Teilabnahme von Architektenleistungen“). Die rechtsgeschäftliche Abnahme umfasst die Anerkennung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgemäß. Sie enthält jedoch keine Bestätigung der Mangelfreiheit des Werkes.
Nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen
Unter der Zustandsfeststellung oder auch der sogenannten „technischen Abnahme“, die von den Architekten durchzuführen ist, versteht man die Überprüfung des Werkes auf vorhandene Mängel (Soll-Ist-Vergleich) und deren Protokollierung. Die Ergebnisse dieser Zustandsfeststellung können den Bauherren bei der rechtsgeschäftlichen Abnahme als Orientierung dienen. Die Architekten geben so gegebenenfalls gegenüber den Bauherren eine Abnahmeempfehlung ab. Keineswegs unterzeichnen sie jedoch selbst ein Abnahmeprotokoll.
Zustandsfeststellungen, Mängelrügen und Mahnungen dürfen von Architekten im Namen der Bauherren ausgesprochen werden, da es sich um nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen im Rahmen der Objektüberwachung (LPH 8) handelt.
Auch Prüfvermerke auf Rechnungen enthalten keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, da diese kein Anerkenntnis darstellen und die Bauherren daran nicht gebunden sind. Sollen die Architekten rechtsgeschäftliche Erklärungen wirksam entgegennehmen oder abgeben können, so ist es grundsätzlich erforderlich, dass ihnen dafür ausdrückliche Vollmachten erteilt werden.
Ausdrückliche Vollmacht
Eine ausdrückliche Vollmacht kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen, wobei die schriftliche Vollmacht aufgrund der Beweissicherheit vorzuziehen ist. Im Optimalfall sind die Befugnisse und Vollmachten schon im Rahmen des Architektenvertrages schriftlich konkret festgehalten. Es kann auch sinnvoll sein, nicht nur die Vollmachten selbst, sondern auch die Nichterteilung einer Vollmacht in den Vertrag mit aufzunehmen.
Der Wille der Bauherren, eine umfassende Vollmacht zu erteilen, muss sich zweifelsfrei feststellen lassen. Eine allgemeine Bezeichnung wie „bevollmächtigte Vertreterin“ oder „Vertretung des Bauherrn“ reicht nach BGH nicht aus, um von einer umfassenden rechtsgeschäftlichen Vollmacht auszugehen. Die Bauherren müssen vor den weitreichenden Folgen einer uneingeschränkten Vollmacht geschützt werden, weshalb diese im Zweifelsfall eng auszulegen ist.
Rechtsscheinsvollmachten
Fehlt es an einer ausdrücklichen Vollmacht, können zum Beispiel vertragliche Vergütungsansprüche nur nach den Grundsätzen der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht (sogenannte Rechtsscheinsvollmachten) entstehen.
Duldungsvollmacht
Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn die Bauherren das Auftreten der Architekten als Vertreter wissentlich geschehen lassen und die Bauunternehmer diese Duldung dahingehend verstehen und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auch verstehen dürfen, dass die Architekten über eine Vollmacht verfügen.
Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Bauherren Rechnungen für Verträge bezahlen, die die Architekten im Namen der Bauherren ohne ausdrückliche Vollmacht geschlossen haben, oder wenn die Bauherren nicht einschreiten, obwohl ihnen bekannt ist, dass die Architekten in ihrem Namen Aufträge erteilen.
Anscheinsvollmacht
Bedeutender für die Praxis ist die Anscheinsvollmacht. Diese liegt vor, wenn Architekten wiederholt und über einen längeren Zeitraum als Vertreter aufgetreten sind, die Bauherren das Verhalten nicht kannten, bei der Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt aber hätten erkennen müssen und verhindern können.
Dies kann zum Beispiel zutreffen, wenn bei den Bauunternehmern berechtigterweise der Eindruck entstanden ist, dass von Architekten erteilte Aufträge mit den Bauherren abgesprochen seien oder es sich bei den Architekten um die einzigen Ansprechpartner der Bauherren während des Bauvorhabens handele.
Fehlt es sowohl an einer ausdrücklichen Vollmacht als auch an einer Rechtsscheinsvollmacht, so kann ein Rechtsgeschäft, das von Architekten im Namen der Bauherren vorgenommen wurde, auch durch eine nachträgliche Genehmigung noch Wirksamkeit erlangen. Diese Genehmigung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent (durch entsprechendes Verhalten) erfolgen.
Risiken ohne Vollmacht
Handeln die Architekten ohne ausdrückliche Vollmacht oder Rechtsscheinsvollmacht und fehlt es an einer nachträglichen Genehmigung, so kommt grundsätzlich eine Schadensersatzhaftung gemäß § 179 BGB in Betracht. Die Haftung scheidet jedoch aus, wenn der Dritte erkennen konnte, dass die Architekten nicht bevollmächtigt waren.
Dabei ist zu beachten, dass vor allem Bauunternehmer oftmals Kenntnis davon haben (müssen), dass Architekten nicht automatisch mit Abschluss des Architektenvertrages oder der Aufnahme ihrer Tätigkeit über eine rechtsgeschäftliche Vollmacht verfügen. Die Bauunternehmer können sich dementsprechend meist nicht darauf berufen, dass sie von einer zulässigen Stellvertretung ausgegangen sind oder die Architekten die Verträge im eigenen Namen abschließen wollten. Bestehen Unklarheiten oder Zweifel am Vorliegen einer ausdrücklichen rechtsgeschäftlichen Vollmacht, so müssen sich die Dritten das Vorliegen der rechtsgeschäftlichen Vollmacht von den Bauherren bestätigen lassen.
Auch eine gegenüber dem nicht bevollmächtigten Architekten abgegebene Erklärung entfaltet im Verhältnis zu den Auftraggebern keine Wirkung. Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche Dritter gegen die Auftraggeber gestaltet sich in solchen Fällen schwierig.
Fazit: Vollmacht möglichst ausdrücklich vereinbaren
Aufgrund der Haftungsrisiken für die Architekten und der Kostenrisiken für die Bauherren ist es wichtig, dass die Vollmachten ausdrücklich, konkret und schriftlich erteilt werden. Darauf sollten Architekten bei Vertragsabschluss hinwirken. Die Bauherren sollten zudem immer wieder kontrollieren, dass die Architekten nur im Rahmen ihrer Vollmachten handeln, um nicht in die Gefahr von Rechtsscheinsvollmachten und damit entsprechend zu tragenden Mehrkosten geraten.
Auch für die Bauunternehmer gilt, dass sich diese stets bei den Auftraggebern rückversichern sollten, wenn die Architekten Aufträge erteilen, die zu Mehrkosten bei den Auftraggebern führen (können). Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie ohne tatsächliche Beauftragung Leistungen erbringen und das Kostenrisiko tragen.
Aus Beweisgründen sollten die Vollmachtsregelungen in den jeweiligen Verträgen mit den Bauunternehmen schriftlich fixiert werden, sodass alle Parteien Kenntnis von den jeweiligen Vollmachten haben und Missverständnissen vorgebeugt wird. Gibt es keine ausdrückliche Vollmacht, so gilt der Grundsatz, dass die Vollmacht der Architekten da endet, wo der Geldbeutel der Auftraggeber anfängt.
In vielen Orientierungshilfen der Architektenkammern zur Vertragsgestaltung finden sich Hinweise, dass grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Vollmachten bestehen und wie sie formuliert werden können.
Ina Schuster war von Juli bis Oktober 2024 Rechtsreferendarin bei der Bayerischen Architektenkammer
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