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Wohnhaus im Landschaftsschutzgebiet erlaubt?

In diesem öffentlich diskutierten Fall aus Herne geht es um die umstrittene Baugenehmigung für ein Wohnhaus in einem Landschaftsschutzgebiet. Es folgten Klagen, ein Bestechungsverdacht und eine Ermittlungstätigkeit, die schon fast an eine Terrorfahndung erinnert. Der Fall zeigt nicht nur, wie entscheidend die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich ist, sondern auch, dass nicht nur Nachbarn, sondern auch Umweltverbände gegen Bauvorhaben klagen können.

28.01.20256 Min. Von Andreas Koenen Kommentar schreiben

Bauen im Landschaftsschutzgebiet, im Innen- oder im Außenbereich? Hierum ging es in einem bis zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen geführten Streit um die Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus in Herne. Dessen Architekten waren zugleich die einzigen Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft zur Errichtung des Hauses.

Baugrundstück im Landschaftsschutzgebiet

Die Bebauung war auf einer Freifläche geplant, die zuvor mit Bäumen und Sträuchern bewachsen war. Umgeben ist sie von Wohnbebauung, einem Schulgelände sowie landwirtschaftlichen Nutzflächen. Das Grundstück liegt innerhalb des Landschaftsschutzgebietes „Düngelbruch“ mit einem Landschaftsplan.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte gegen die Baugenehmigung für das Mehrfamilienhaus geklagt. Er sah umweltbezogene Rechtsvorschriften als verletzt an, weil die grüne Freifläche im sogenannten bauplanungsrechtlichen Außenbereich liege, in dem nach dem festgesetzten Landschaftsplan generell ein Verbot der Errichtung baulicher Anlagen vorherrschen würde.

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Außenbereich: Natur und Landschaft haben Vorrang

Für Außenbereiche gelten strenge Regeln, die verhindern sollen, dass Landschaften zersiedelt werden und die Natur Schaden nimmt. § 35 BauGB erlaubt Bauvorhaben in Außenbereichen nur in Einzelfällen und auch nur dann, wenn hierdurch öffentliche Belange wie der Umweltschutz nicht beeinträchtigt werden.

Wer also Bauprojekte in Landschaftsschutzgebieten im Außenbereich plant, für den gelten die Grundlagen des Landesnaturschutzgesetzes. Es bildet die rechtliche Basis für die Schutzgüter Natur und Landschaft und damit für Maßnahmen von Naturschutz bis Landschaftspflege. Den Naturhaushalt dieser Räume sowie ihren Erholungswert zu erhalten, genießt oberste Priorität. Dementsprechend sind zunächst alle Handlungen verboten, die diesen besonderen Schutzzweck angreifen. Dieses Handlungsverbot schließt grundsätzlich auch Baumaßnahmen ein.

Die Bauherren hätten in dem hier thematisierten Herner Fall das sich schon im Bau befindende Gebäude wieder abreißen lassen müssen. Dahin ging die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen, das zugunsten des klagenden BUND entschied.

Innenbereich: Im Zusammenhang bebauter Ortsteil

Das OVG NRW als zweite Instanz sah dies jedoch anders (Urteil vom 26. Oktober 2023, Az.: 10 A 804/23). Im Ergebnis haben die Münsteraner Richter die angefochtene Entscheidung des VG Gelsenkirchen geändert und die Klage abgewiesen.

Wie die Stadt Herne und die Investoren waren sie der Auffassung, dass das Grundstück nicht im Außenbereich, sondern innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, also in einem Innenbereich, liegt. Mit der Errichtung des Wohnhauses werde lediglich eine Baulücke geschlossen.

Landschaftsschutz gilt nur für Außenbereich

Liegt das Bauvorhaben nämlich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, schließt der Landschaftsschutz nicht die Bebaubarkeit des Grundstücks aus (BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1980, Az.: IV C 79.77 und vom 12. Juni 1970, Az.: IV C 77.68).

Der Geltungsbereich des Landschaftsplans erstreckt sich auf den Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts (zum Beispiel § 7 Abs. 1 S. 3 Landesnaturschutzgesetz NRW). Es kommt also auf die Abgrenzung des unbeplanten Innenbereichs vom Außenbereich an, in dem grundsätzlich nicht gebaut werden soll.

Im Landschaftsschutzgebiet und trotzdem im Innenbereich

Das Gericht hat in seinem Urteil ausführlich dargelegt (obwohl die Sache eigentlich völlig klar sei), dass die Örtlichkeit durch die umliegenden Wohngebäude und das Schulgrundstück einen „Eindruck der Geschlossenheit“ vermittelt, die das zuvor unbebaute Grundstück als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt. Aufgrund dieser Zuordnung zum Innenbereich, die im vorliegenden Fall „nicht zweifelhaft“ sei, schied eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften aus, auf die sich der klagende BUND ausschließlich berufen konnte.

Grundstück war als „unbebaubar“ bekannt

Brisant war der vorliegende Fall vor allem deshalb, weil über das Bauprojekt öffentlichkeitswirksam (auch im Fernsehen) diskutiert worden war.

Weil einer Bürgerin erst wenige Jahre zuvor die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück untersagt worden war, wurde das Grundstück nämlich zuvor als „unbebaubar“ betrachtet. So wurde gemutmaßt, dass die Erteilung der Baugenehmigung nicht auf legalem Wege erfolgt sein konnte.

Baugenehmigung durch Bestechung erhalten?

Ein konkurrierender Architekt, zufällig auch Nachbar, zögerte nicht lange und stellte Strafanzeige wegen des Verdachts der Bestechung, obwohl es bereits zu diesem Zeitpunkt den Beschluss des OVG NRW gab, dem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bereits zu entnehmen war.

Die Strafverfolgungsbehörde ignorierte diese Entscheidung jedoch und bezog sich auf die vorinstanzliche Entscheidung des VG Gelsenkirchen, die die Baugenehmigung als rechtswidrig angesehen hatte. Es bestand wohl die Hoffnung, „etwas Großes“ aufzudecken. Es folgten Telefonüberwachungen und Durchsuchungen im Herner Rathaus sowie in den Geschäftsräumen und Wohnbereichen der Bauherren und eines Mitarbeiters der Stadt.

Keine Bestechung, sondern erstmals korrekte Entscheidung

Die Strafverfahren mussten am Ende alle eingestellt werden. Denn es gab keine Bestechung; stattdessen saubere juristische Prüfungen. So wurde bei dem letzten Baugenehmigungsantrag die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich endlich einmal korrekt vorgenommen.

Wie das Oberverwaltungsgericht Münster ausdrücklich klargestellt hat, hätte es an der Richtigkeit der Einstufung als Innenbereich, die Grundlage der von der Stadt Herne erteilten Baugenehmigung war, „keinen Zweifel” geben dürfen. Ein Strafverfahren auf dieser Grundlage hätte es schlicht nicht geben dürfen.

Die Perspektive der Bauherren, die aufgrund der erteilten Baugenehmigung bereits mit dem Bau begonnen und hohe Summen in das Projekt investiert hatten, um im Ruhrgebiet dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, interessierte weder die Presse noch die Staatsanwaltschaft.

Umweltverbände klagen gegen Bauvorhaben

Nicht selten sind es zwischenzeitlich Umweltschutzverbände, die sich gegen behördlich genehmigte Baumaßnahmen in Landschaftsschutzgebieten wehren. Denn umweltrechtliche Verbandsklagen haben in den vergangenen Jahren erheblich an Relevanz zugenommen. Die Rechtsprechung greift in solchen Fällen auf europa- und völkerrechtliche Vorgaben zurück. Prozessuales Einfallstor ist dabei das Umweltrechtsbehelfsgesetz, wonach staatlich anerkannte Umweltschutzverbände unter gewissen Voraussetzungen gegen behördliche Entscheidungen klagen können.

Vor diesem Hintergrund sollten Investoren und Architekten zukünftig auch Umweltschutzverbände als weitere „Mitspieler“ beziehungsweise „Risikofaktoren“ für ein Baugenehmigungsverfahren (und auch im Rahmen der Bauleitplanverfahren) auf dem Schirm haben.

Prof. Dr. Andreas Koenen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Verwaltungsrecht und Inhaber der Kanzlei Koenen Bauanwälte mit Standorten in Essen, Münster, Bielefeld und Hannover.

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