Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Rechtfertigt jeder Aufwand den Erhalt?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.
Denkmalschutz nicht gegen Klimaschutz ausspielen
Ihre Frage beantworte ich gerne mit Ja. Ich habe ein völlig vernachlässigtes Denkmal mit meinem Mann gekauft, um es zu retten. Meine Fragen lauten ganz anders: Warum versagen Behörden und Politik, obwohl der Denkmalschutz Verfassungsrang genießt? Warum werden denkmalgeschützte Gebäude vernachlässigt, bis der Aufwand ihrer Instandsetzung derart groß ist? Warum ändert die bayerische Regierung gerade eines der besten Denkmalschutzgesetze und spielt den Denkmalschutz gegen den Natur- beziehungsweise Klimaschutz aus? Warum sind nicht alle Gebäude, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben beziehungsweise danach wiederaufgebaut wurden, automatisch geschützt? Warum brechen wir inzwischen selbst Gebäude ab, die völlig intakt sind, die mit geringem Aufwand erhaltbar wären? Und warum haben wir so wenig Verständnis für unser kulturelles Erbe und die handwerkliche Arbeit früherer Generationen?
Elke Wendrich, Innenarchitektin, München
Seelenvolles Raumgefühl
Wir beschäftigen uns im Büro seit vielen Jahren mit dem Umbau und der Restaurierung von denkmalgeschützten Bauten in München. Vor sechs Jahren hat sich dann durch einen Zufall ergeben, gemeinsam mit dem Bürokollegen Tobias Huber ein teilweise einsturzgefährdetes, spätbarockes Bauernhaus in Ohlstadt bei Murnau zu erwerben. Zunächst haben wir die künftige Nutzung diskutiert und aufgrund der zu erwartenden erheblichen Kosten beschlossen, dass sich das Haus den Umbau und die Restaurierung teilweise selbst „mitverdienen“ muss. Die Gemeinde begrüßte und unterstützte den Umbau und die Nutzungsänderung vom Bauernhof zu Ferienwohnungen (eine Tierhaltung war aufgrund geltender Vorschriften bezüglich Deckenhöhe und Belichtung nicht mehr möglich), da in der Region immer mehr betagte Eigentümer die Vermietung aufgeben.
Es folgte eine zweijährige Planungs- und Genehmigungsphase und eine zweijährige Umbau- und Restaurierungsphase, die vom Landesamt für Denkmalschutz sowie von der Unteren Denkmalschutzbehörde engmaschig begleitet wurde. Zunächst wurde das gesamte Gebäude unterfangen, wurden nach außen driftende Mauern mit verpressten Nadelankerbohrungen zurückverankert, durchhängende Balken statisch unsichtbar mit Stahlträgern verstärkt sowie das gesamte Gebäude mit Pavatex-Holzfaserplatten gedämmt. Viele Details mussten vor Ort noch mal überdacht und angepasst werden, da trotz vorhandenem verformungsgerechtem Aufmaß manches doch nicht passte oder Denkmalschutz und Ausführung in Übereinstimmung gebracht werden mussten. Alle historischen Elemente – Fenster, Türen, Möbel, Holzbalken – wurden ausgebaut, bei entsprechenden Restauratoren wiederhergestellt und wieder eingebaut. Die Innenausstattung haben wir bewusst in Kontrast zur historischen Gebäudehülle gewählt, um ein Spannungsfeld aufzubauen, das nicht museal, sondern anregend wirkt.
Da eine intensiv begleitende Bauleitung für ein gutes Ergebnis bei denkmalgeschützten Häusern absolute Voraussetzung ist, summierte sich die mit Bauleitung verbrachte Zeit auf fast 300 Tage. Die mehr als einjährige Erfahrung mit den Feriengästen bestätigt unsere damalige Hoffnung, dass Gäste die Mischung aus Historie, Architektur und Design schätzen. Rückblickend gesehen, war das eine sehr herausfordernde, intensive Zeit mit so manchen Schwierigkeiten, aber auch vielen Erfolgserlebnissen. Es lohnt sich auf jeden Fall, so ein Projekt in Angriff zu nehmen: Man wird durch ein einzigartiges, seelenvolles Raumgefühl belohnt.
Stephan Rauscher, Architekt, München
Besondere Förderungen und Abschreibungsmöglichkeiten
Diese Immobilie in Gera an einem neuralgischen Kreuzungspunkt hätte beseitigt werden müssen – wäre in dem Zustand ein gutes Beispiel zur Diskussion „Kann das weg? Muss weg …“ gewesen. Die Substanz war bis auf wenige Bauteile zerstört – auch eine Sicherungsmaßnahme hat nicht wesentlich zum Erhalt beigetragen. Die in den letzten Jahren erfolgte Sanierung zeigt nun einen Mix aus zeitgemäßem Bauen, energetischer Sanierung und Substanzerhalt.
Gerade an solchen Denkmalobjekten sieht man, wie wichtig ein Erhalt ist, da sie nicht nur für sich, sondern auch auf die Umgebung wirken und diese zum Beispiel mit einer Beseitigung maßgeblich und negativ verändern. Warum muss es – gerade bei wichtigen Denkmälern – so weit kommen, dass wir so oft darüber öffentlich diskutieren und diese ebenso oft vernachlässigt werden? Gehört es nicht auch in die Verantwortung der Eigentümer, Konzepte zu entwickeln, die den Erhalt sichern? Oder sich bei deren Ausweisung mit den Behörden schon vorab zu einigen, was das eigentliche Interesse der Eigentümer mit der Immobilie ist und was die Denkmaleigenschaft ausmacht?
Denkmalschutz ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir uns aktuell noch leisten. Sie sorgt für Kommunikation miteinander, für Identität und Attraktivität – und damit für Wertstabilität ganzer Stadtteile. Da die wenigsten Kommunen Gestaltungssatzungen haben, ist der Denkmalschutz letztlich auch für die stadtbildprägende Erscheinung verantwortlich. Die Ergebnisse begeistern in den meisten Fällen. Wir sollten dies noch spezieller fördern – mit Zuschüssen, die nicht endlos kompliziert und unkonkret sind, aber die Eigentümer gleichzeitig motivieren und verpflichten, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten darum zu kümmern.
Auch darf man nicht vergessen, dass Denkmalimmobilien Vorteile zu nicht geschütztem Bestand bieten: Besondere Förder- oder Abschreibungsmöglichkeiten, keine Anforderungen an den Wärmeschutz, Abweichungen zur Bauordnung bei den Themen Brandschutz und manchmal auch bei der Statik – diese lassen sich dann besser begründen oder es lassen sich gar einzigartige vorbildwirkende Lösungen finden.
Wenn wir als Architekten und Planer jetzt schon dafür sorgen, dass gut gestaltete, solide Immobilien und (Frei-)Räume geschaffen werden, die langfristig funktionieren und angepasst werden, haben wir auch für unsere künftige Umwelt viel getan.
Thomas Laubert, Architekt, Gera
Regionale Bautradition erkennbar
Es ist oft schwierig, gegen den Strom derer zu schwimmen, die wertvolle, alte Baubestände „warm abzureißen“ beabsichtigen, um somit in leider sehr vielen Fällen Platz für seelenlose Kuben zu schaffen. Oft sind es Planungen aus der Retorte, die keinerlei Bezug zur ländlichen und landschaftlichen Prägung der Region erkennen lassen.
Einer der vielen Fälle, bei denen ich im Kampf gegen diesen Strom Sieger blieb, ist die dem Verfall bereits preisgegebene „Alte Poststation“ in Hennef-Uckerath, ein 1997 bereits seit einigen Jahren verlassenes Bauernhaus aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Gebäude diente auch Thurn und Taxis als Poststation auf der Strecke Köln–Frankfurt. Die Landwirtschaft war aufgegeben und das Wohnhaus an einen Lebensmittelhändler verkauft, der keine Sanierungsabsichten im Sinn hatte, sondern den Abbruch beabsichtigte, um dort, soweit mir bekannt wurde, einen neuen Baukörper zu erstellen. In der Folge konnte ich bei der Stadt Hennef die Unterschutzstellung erwirken. Das Anwesen wurde, da für den derzeitigen Besitzer nicht mehr interessant, verkauft. Für den Erwerber habe ich die Planung und die Bauleitung der Sanierung der dem Verfall nahen Ruine durchgeführt. Ich habe sie unter weitestgehendem Erhalt der alten Bausubstanz zu einer dem ländlich geprägten Dorf Uckerath angepassten Gaststätte wieder zum Leben erwecken können.
Albert Jacobs, Architekt, Hennef
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