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[ Serie: Gebäudetechnik ]

Räume automatisieren

Gebäudetechnik, Teil 4: Die automatisierte technische Ausstattung öffentlicher und gewerblicher Bauten stellt Architekten vor eine neue Aufgabe. Sie müssen beurteilen können, was gute und was schlechte Gebäudeautomation ist

Foto: Olaf Eybe für Berker
Prima Klima: Im SPIEGEL-Haus in der Hamburger HafenCity sorgen Raumbediengeräte für ein gutes Raumklima und stimmige Beleuchtung.

Text: Achim Heidemann

Die zunehmende Technisierung von Gebäuden bringt auch Architekten neue Aufgaben. Mittlerweile dominieren die Systeme zu Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Einbruch- sowie Sonnenschutz und so weiter die klassischen Bauleistungen. Nach einer Statistik des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung e.V. (BTGA, früher BHKS) vom Juni 2011 veränderten sich die Anteile der Gebäudetechnik an den Baukosten im Vergleich zum Hochbau von 44 zu 56 Prozent im Jahr 1998 auf knapp 58 zu 42 Prozent im Jahr 2010. Damit wird erstmals mehr in die technische Gebäudeausrüstung (TGA) investiert als in den Hochbau – Tendenz steigend.

Die Gebäudeautomation (GA) betraf früher im Wesentlichen die Anlagen für Heizung, Lüftung und Klima sowie die Elektroinstallation und war damit Thema der Fachingenieure. Doch seit einigen Jahren werden zunehmend Räume automatisiert. Die Raumautomation ist im Umfeld der Baubranche eine außergewöhnlich innovative Hochtechnologie, in der national und international zu berücksichtigende Regeln der Technik noch einem laufenden Veränderungsprozess unterworfen sind. Diese junge Technologie ist insofern von Bedeutung, weil sie darüber bestimmt, ob sich Nutzer – über den architektonischen Anspruch hinaus – in einem Gebäude wohl-, sicher und damit auch kreativ fühlen. Des Weiteren hängen von ihr maßgeblich der Energieverbrauch eines Gebäudes und damit seine ökologische Nachhaltigkeit während der Nutzung sowie der Wiederverkaufswert ab.

Wenn Architekten sich ihrer Verantwortung für nachhaltiges Bauen bewusst sind, müssen sie demnach beurteilen können, was gute und was schlechte Gebäudeautomation ist. Das einfache Verlassen auf Fachplaner HLK/E (Heizung, Lüftung, Klima/Elektro) reicht nicht aus, da gute Gebäudeautomation gewerkeübergreifend ausgeführt und die Fachplaner daher übergeordnet koordiniert werden müssen. Auch die Einbindung eines Fachplaners für GA – die zwar zu empfehlen ist – deckt diesen Mangel nicht ab, denn der Bedarf nach übergeordneter Koordination der TGA bleibt. Zusätzlich zu beachten ist, dass es keine Ausbildung zum Fachplaner GA gibt und daher die am Markt tätigen Fachplaner GA in der Regel selbst ernannt sind. Ihre Qualifikation ist daher durch den Architekten zu bewerten, will er kein Fiasko erleben. Zu empfehlen sind Integrationsplaner TGA, gegebenenfalls in Kombination mit der Fachplanung GA.

Vorsicht bei Teil- und Einzellösungen

Gebäudeautomation wurde mit der Einführung der DIN EN ISO 16484 „Systeme der Gebäudeautomation“ im Jahr 2004 erstmals weltweit standardisiert. Die Raumautomation als Teil der Gebäudeautomation wurde erstmals im Mai 2007 mit der Veröffentlichung der Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure VDI 3813-1 „Raumautomation“ übergreifend definiert.

Bedingt durch die langjährige Entwicklungsgeschichte, hat sich eine große Zahl von Herstellern und ausführenden Firmen für Gebäudeautomation am Markt etabliert. Leider ist festzustellen, dass einzelne Beteiligte den Begriff unterschiedlich verstehen und auch unvollständige Lösungen als Gebäudeautomation bezeichnet werden – zum Beispiel nur das zentrale Bedienen und Anzeigen von Informationen der Heizungs- und Lüftungsanlage über ein GA-Management.

Die technische Realisierung von Gebäude- und Raumautomation erfolgt durch GA-Systeme. Wirtschaftliche und nachhaltige Gebäudeautomation wird durch ein homogenes GA-System (aus einem „Guss“) unter Verwendung eines gewerkeübergreifenden Kommunikationssystems (BUS) realisiert – und zwar sowohl für die Anlagen als auch für die Räume. Vom Einsatz sogenannter RA-Systeme (RA = Raumautomation) wird dringend abgeraten – insbesondere wenn sie für jedes Gewerk einzeln geplant werden, was einen unübersichtlichen System-Mix nach sich zieht.

Unabhängig von der Ausführungsart wird die Funktionalität des GA-Systems durch die Automationsfunktionen bestimmt. Gute Gebäudeautomation definiert die gewünschten Funktionen in ausreichender Tiefe zu Beginn der Planung und verwendet dabei die Schemata und Funktionslisten der VDI-Richtlinie 3813. Automationsfunktionen werden mittels Software generiert, die entweder an einen Prozess angepasst (konfiguriert oder parametrisiert) oder individuell für einen Prozess hergestellt (programmiert) wird. Qualitativ hochwertige Software wird nach den Regeln der Technik des Software-Engineerings ergestellt. Sie zeichnet sich vor allem durch Fehlerfreiheit, Wartbarkeit und Erfüllung der Funktionalität aus, ist aber auch aufwendig und im Verhältnis zu anderen Bauleistungen teuer. Je individueller die Architektur eines Gebäudes, desto höher der Preis der Software.

Software will früh geplant sein

Die Verwendung von Software verlangt aber auch eine andere Vorgehensweise bei der Planung und Errichtung von Gebäuden als bisher im klassischen Bauwesen üblich. Im Gegensatz zu den konventionellen Bauleistungen, bei denen zum Beispiel noch auf der Baustelle Änderungen an der Architektur durchgeführt werden können, ist das beim Einsatz von Software nicht ohne Weiteres möglich. Es führt zu einem erheblichen, in der Regel mit Qualitätsverlust verbundenen Aufwand beim Engineering. Gegenüber anderen Bauleistungen bietet die Software jedoch einen wesentlichen Vorteil, der in der heutigen Praxis der Bauplanung zu wenig genutzt wird: Sie kann quasi kostenlos vervielfältigt (kopiert) werden, wodurch sich der Preis erheblich reduziert.Foto: Olaf Eybe für Berker

Diese wiederholte Nutzung ist aber nur für gleiche Anwendungen möglich – beispielsweise bei Räumen mit gleicher technischer Gebäudeausstattung. Um die Vorteile einer Software in Gebäuden zu nutzen, ist es daher wichtig, Standards zu schaffen, wie bestimmte Raumtypen, in denen die gleiche Software verwendet werden kann. Die Grundlagen dafür können Architekten durch modular aufgebaute Grundrisse legen. Diese Segmentierung eines Gebäudes im Rahmen eines Segment-Achsen-Konzepts ermöglicht es, Investitionskosten zu senken, da industrielle Fertigungsverfahren für die Anlagen der TGA eingesetzt werden können und die Software der Gebäudeautomation preisgünstig vervielfältigt werden kann. Ferner wird so die Voraussetzung für einfache Umnutzungen geschaffen, da sich die Segmente schnell und kostengünstig umstrukturieren lassen.

Projekte anders organisieren

Um die Hard- und Software der Gebäudeautomation und insbesondere der Raumautomation architektonisch und funktional optimal in ein Gebäude einbinden zu können, ist allerdings die seit Jahren unverändert praktizierte Projektorganisation anzupassen. Bei mittleren und größeren Bauvorhaben beauftragen professionelle Bauherren Projektsteuerer mit dieser Aufgabe. Bei kleineren Projekten ist es üblich, den Architekten mit dem Projektmanagement zu beauftragen, ohne es separat als solches auszuweisen. Damit kommt der Architekt – in der Regel unbewusst – in die Situation, auch sich selbst im Umfeld aller Beteiligten „mitsteuern“ zu müssen. Leider zeigen viele Beispiele aus der Praxis hinsichtlich der Raumautomation, dass eine solche Konstellation auch wegen fehlenden Know-hows häufig nicht zu optimalen Planungen führt. Eine besondere Schwierigkeit stellt im Augenblick zudem die klassische, historisch gewachsene Organisation von Projektteams dar, in denen das traditionelle Bauwesen dominiert und die Gebäudeautomation noch nicht die erforderliche Beachtung findet.

Achim Heidemann ist Professor für Technisches Facility- Management an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.


Normen und Regelwerke

DIN EN 15232
DIN EN 15232, Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement; deutsche Fassung EN 15232:2007, Deutsches Institut für Normung e. V., Beuth, Berlin, 11/2007

DIN EN ISO 16484
DIN EN ISO 16484, Systeme der Gebäudeautomation (GA), Teil 1: Projektplanung und -ausführung (03/2011), Teil 2: Hardware (10/2004), Teil 3: Funktionen (12/2005), Teil 5: Datenkommunikationsprotokoll (03/2011), Teil 6: Datenübertragungsprotokoll – Konformitätsprüfung (11/2009), Deutsches Institut für Normung e. V., Beuth Verlag, Berlin

Nachhaltigkeit
Heidemann, A.: Nachhaltigkeit durch Gebäudeautomation, TGA-Verlag, 1. Auflage, 2013.
www.raumfunktionen.de
Heidemann, A./Schmidt, P.: Raumfunktionen – ganzheitliche Konzeption und Integrationsplanung zeitgemäßer Gebäude, TGA-Verlag, 1. Auflage, 2012

VDI 3813
VDI 3813, Blatt 1: Gebäudeautomation (GA) – Grundlagen der Raumautomation (05/2011), Blatt 2: Gebäudeautomation (GA) – Raumautomationsfunktionen (RA-Funktionen) (05/2011), Beuth Verlag, Berlin

VDI 3814
VDI 3814, Blatt 1: Systemgrundlagen, 2009, Blatt 2: Gesetze, Verordnungen, technische Regeln (2009), Blatt 3: Hinweise für das Gebäudemanagement – Planung, Betrieb und Instandhaltung (2007), Blatt 5: Hinweise zur Systemintegration (2010), Blatt 6: Grafische Darstellung von Steuerungsaufgaben (2008), Blatt 7: Gestaltung von Benutzeroberflächen (2011)

 

Foto: Gira, Raumfunktionen.de
Volle Kontrolle: Über dieses Touch Display lassen sich alle Funktionen auch in Bürogebäuden steuern und kontrollieren.

Raumfunktionen

Jegliche technische Ausrüstung von öffentlichen und gewerblichen Bauten ist mittlerweile automatisiert. Damit die Technik im Sinne eines energieeffizienten und nutzerorientierten Gebäudes in der Praxis auch funktioniert, sind ihre einzelnen Bereiche aufeinander abzustimmen und sinnvoll in das bauliche Umfeld zu integrieren. Es bringt also wenig, beispielsweise für den Sonnenschutz, die Beleuchtung, die Heizung und das Klima separate Systeme zu installieren. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Bedienphilosophien und -geräte überfordern nicht nur Bauherren und Nutzer zunehmend. Architekten fällt es ebenfalls schwer, die Technologien einzuschätzen. Das liegt auch daran, dass es bislang nur wenige neutral und verständlich aufbereitete Informationen gibt.

Mit „Raumfunktionen“ ist erstmals ein Buch auf dem Markt, das Architekten diesbezüglich Hilfe bietet. Nach einer Einführung in die Themen Gebäude- und Raumautomation sowie Facility-Management wird aufgezeigt, wie ein Planungsteam aufzustellen ist, das die Raumautomation einbindet. Es wird erläutert, welche Leistungen ein Fachingenieur für Gebäudeautomation erbringen muss und wie diese zu bewerten sind. Zudem ist das Buch entsprechend den HOAI-Leistungsphasen mit detaillierten Leistungsbildern aufgebaut.

 

Achim Heidemann, Peer Schmidt57 Cover_final_render_V3_print_Artikel
Raumfunktionen
Ganzheitliche Konzeption und
Integrationsplanung zeitgemäßer Gebäude
2012, 1. Auflage,
502 Seiten, 49 Euro,

Bestellung über www.tga-verlag.de

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