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[ EnEv ]

Die EnEV zerrechnen

Ausnahmen, Freistellungen und viel Arbeit: Karim El Ansari kämpft mit Datenloggern gegen unwirtschaftliche EnEV-Regeln. Das ist mühsam – am Ende aber erfolgreich.

„Eine Befreiung von der EnEV lohnt sich nicht für jeden, weil sie sehr zeitintensiv und kostspielig sein kann.“
Karim El Ansari

Text: Stefan Kreitewolf

Karim El Ansari ist „ein bisschen aufgeregt“. Wenn der Architekt im hessischen Herborn seine aufwändigen Analysen präsentiert und Beispiele haarklein erläutert, wirkt er wie elektrisiert. Er sagt dann auch druckreife Sätze, etwa: „Mein Ziel ist nicht die sklavische Umsetzung diskussionswürdiger physikalischer Annahmen, sondern eine wirtschaftliche und ehrlich energieeffiziente Lösung.“ Anders formuliert: El Ansari kämpft für eine wirtschaftliche Energieeinsparverordnung, kurz EnEV.

Und zwar mit Erfolg. Der Architekt und ausgebildete Zimmermann weist nach, dass die Dämmung von Häuserfassaden nicht immer „wirtschaftlich angemessen ist“, wie es im Gesetzesjargon heißt. Als Versuchsobjekte dienten ihm zwei ältere Mehrfamilienhäuser aus den 1960er-Jahren in Dillenburg. Anhand der beiden Bauten zeigt er, dass bei einer energetischen Sanierung auf die nach der EnEV eigentlich vorgeschriebene komplette Dämmung der Fassade verzichtet werden kann.

Lokale Rechnungen, bundesweite Folgen

„Die Zusatzkosten für die Dämmung hätten sich nicht während deren voraussichtlicher Haltbarkeitsdauer amortisiert“, sagt El Ansari. „Die Mehrkosten wären nicht durch Einsparungen beim Heizenergieverbrauch wettgemacht worden.“ Der westhessische Lahn-Dill-Kreis hat ihm deswegen eine Befreiung von den Dämmvorgaben erteilt. Das ist eine große Ausnahme. Ausnahmegenehmigungen bezüglich der EnEV wurden bislang nur äußerst selten erteilt – und wenn überhaupt, dann ausschließlich für Einfamilienhäuser. Bislang musste der Nachweis dafür in aufwändigen Einzelfallberechnungen erbracht werden. Mit dem neuen mathematischen Modell von El Ansari ist dies nun zumindest etwas einfacher geworden.

Seine lokalen Rechnungen haben bundesweite Folgen. El Ansari erlangte durch die Befreiung eine gewisse Prominenz in einschlägigen Kreisen. Vor dem Dachverband der Immobilienbranche „Zentraler Immobilienausschuss“, der 22 Verbände und 37.000 Unternehmen vertritt, hielt er Vorträge. Bauherren aus dem ganzen Land buhlen nun um seine Hilfe.

„Und das alles wegen zwei unscheinbarer Mehrfamilienhäuser in Dillenburg“, sagt El Ansari lächelnd. In der dortigen Lohrbachstraße arbeitete er seit 2006 an einem Langzeitprojekt. Für eine lokale Wohnungsbaugesellschaft sollte er 18 Objekte innerhalb von zehn Jahren sanieren. „Im Einzelnen ging es dabei um eine äußere energetische Ertüchtigung und eine architektonische Modernisierung im Innenraum“, erläutert der Architekt.

„Sonnenstrahlen wärmen“

2009 war das erste Haus fertig und EnEV-konform saniert. lm Nachgang ließ er die äußere Dämmung der ersten beiden Häuser prüfen. Seine Kollegin Sandra Seibert fand dabei heraus, „dass sich die Zusatzkosten der Dämmung erst nach 42 Jahren amortisieren“. Die verwendeten Baustoffe seien aber lediglich zehn Jahre haltbar. El Ansari folgert daraus: „Unter streng betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist eine solche energetische Sanierung also vollkommener Quatsch.“

Er betrachte Sanierungen lediglich unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit. „Dazu gehört, vereinfacht gesagt, die Beurteilung von Investition und Ertrag.“ Schließlich gilt auch bei der EnEV das Wirtschaftlichkeitsgebot. „Wird nachgewiesen, dass sich die Mehrkosten für die Dämmung nicht während der voraussichtlichen Haltbarkeit der Dämmstoffe rentieren, dürfen die Baubehörden Ausnahmen machen“, sagt El Ansari. Das sei allerdings keine Freude für die Behörden und der Weg zur Ausnameregelung sei mühsam.

Sinnvoller Wärmeschutz bedeute für ihn indes „die Beurteilung, Beachtung und Umsetzung von Ökologie, Ökonomie und Bauphysik bei baulichen Maßnahmen“. Sein Ziel sei es, ehrlich energieeffiziente Bauwerke zu errichten oder sie so zu sanieren. „Wärmeschutz ist deutlich mehr als die eindimensionale Betrachtung eines möglichst niedrigen U-Werts“, sagt El Ansari. Seibert ergänzt: „Eine Besonderheit unserer Betrachtung ist die Beurteilung unterschiedlicher Maßnahmen zur Wahl des optimalen Systems.“

El Ansari sieht insbesondere die solaren Wärmegewinne unterschätzt. „Jeder weiß doch, dass Sonnenstrahlen wärmen“, sagt er. Sein Ansatz für energieeffiziente Sanierungen berücksichtige die bauphysikalischen Eigenschaften von Gebäudefassaden. „Das bedeutet, die Materialeigenschaften massiver Wände haben einen positiven Einfluss auf das Wärmeverhalten des Gebäudes, der jedoch in herkömmlichen Berechnungsverfahren unberücksichtigt bleibt.“

Karim El Ansari bei der Messung: Mithilfe von Datenloggern sucht der EnEV-Skeptiker nach der optimalen Energiesparlösung.

Paragrafen, Datenlogger, Prüfer

Dass erhebliche Energieeinsparungen mit solaren Wärmegewinnen und ohne EnEV-konforme Sanierungen möglich sind, ­zeigen seine Testergebnisse. Nach seinem Verfahren sanierte Gebäude erzielten Einspareffekte, die für über 30 Prozent Energieeinsparung nur maximal die Hälfte der Investitionen erfordern. Dennoch sagt er: „Eine Befreiung von der EnEV bei kleineren Maßnahmen lohnt sich nicht für jeden, weil sie sehr zeitintensiv und kostspielig sein kann.“ Er kläre zwar jeden Bauherrn über mögliche Einsparpotenziale auf, entscheiden müsse aber der Bauherr selbst.

El Ansari sammelt sein Material mithilfe von acht Datenloggern (Mess- und Speichergeräte für regelmäßig aufgenommene Daten), die er an der Fassade und im Innenraum eines seiner Versuchsobjekte in der Lohrbachstraße anbrachte und die ihm alle zehn Minuten Daten über Wärme, Luftfeuchtigkeit und Heizbedarf liefern. Parallel wird der tatsächliche Heizenergieverbrauch beurteilt. Seine Berechnungen dauern an und werden ständig abgeglichen. Sie sind hochkomplex. 2012 benötigte er sechs Monate für Berechnungen und Nachweise, bis er einen Antrag auf EnEV-Befreiung nach § 25 EnEV stellen konnte.

Die zuständige Baugenehmigungsbehörde des Lahn-Dill-Kreises war mit seinem Anliegen erst einmal überfordert. El Ansari ließ nicht locker und stand wochenlang mit einem Prüfer der Universität Göttingen in Kontakt, dem als Sachverständigem der Antrag vorlag. Schließlich erhielt er die Freistellung.

2.000 Projektstunden – nach Feierabend

Der Architekt, der selbst vereidigter Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz ist, rattert die Gesetzestexte wie im Schlaf herunter. Auseinandersetzungen mit Behördenvertretern, Stapel von Papieren, monatelanges Auswerten und Paragrafenwälzen: El Ansaris Kampf gegen die EnEV-Windmühlen ist mühsam. Warum tut er sich das an? „Ich bin kein Don Quijote“, sagt El Ansari. Er wolle sich nicht „aufblasen“, versichert der Architekt.

„Wir sind schlicht und einfach Überzeugungstäter und waren neugierig.“ Die Auswertungen seiner Testgebäude laufen in seinem Büro neben dem Tagesgeschäft. „Das geht gar nicht anders als abends nach Feierabend und am Wochenende“, erklärt er. 2.000 Projektstunden habe er über die Jahre schon in „die EnEV-Sache“, wie er seine Analysen nennt, investiert. Das sei aber nicht weiter schlimm. „Schließlich haben wir als Architekten eine Verantwortung“, ist El Ansari überzeugt. Dazu gehöre eben auch, „die vorherrschenden Meinungen und Bedingungen infrage zu stellen“.

Karim El Ansari ist auf einer Mission. Im bürokratischen Dickicht der Ausnahmeregelungen und Befreiungsanträge fühlt er sich wohl. Aber er sieht das nicht dogmatisch: „Wenn nötig, dämme ich auch EnEV-konform, wenn der Bauherr das unbedingt wünscht.“

Mehr Informationen und Artikel zum Thema Transparenz finden Sie in unserem DABthema Transparenz.

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4 Gedanken zu „Die EnEV zerrechnen

  1. Sehr geehrte Redaktion,
    dieser Artikel ist zwar vielleicht interessant, aber leider so inhaltsleer, dass er höchstens für ein Boulevardblatt taugt. Das DAB, so meine ich, richtet sich doch an Fachleute. Auch ich finde nicht alle Regelungen der EnEV sinnvoll, aber wenn Kritik an den Regeln der EnEV im DAB veröffentlicht wird, dann sollte sie doch fundiert geäußert und mit Zahlen hinterlegt werden. Die dahin gestellte Behauptung „Die verwendeten Baustoffe seien lediglich 10 Jahre haltbar“ kann sich jedenfalls nicht auf Dämmstoffe und Baustoffe der Gebäudehülle beziehen. Diese sind in der Regel wesentlich langlebiger, sonst würde kein Mensch auf die Idee kommen, derartige Baustoffe für die Gebäudehülle einzusetzen. Worin die alternativen sinnvollen energetischen Maßnahmen bestehen, wird auch nicht beschrieben. Was will der Autor des Textes dem Leser also sagen?

    Antworten
  2. Nach Lektüre dieses Artikels wollte ich unbedingt einen Leserbrief schreiben. Da fand ich den vom Kollegen Müller, in dem schon fast alles stand, was ich schreiben wollte.

    „El Ansari sieht insbesondere die solaren Wärmegewinne unterschätzt. „Jeder weiß doch, dass Sonnenstrahlen wärmen“, sagt er.“

    Werner Eicke-Henning hat mal eindrücklich darauf hingewiesen, dass massive Wände tatsächlich Energie aufnehmen, so lange die Sonne scheint. Die ist aber dann auch recht schnell wieder weg, wenn sie nicht mehr scheint, und das ist im Winter regelmässig mindestens die 4-fache Zeit, bei bedecktem Himmel viel mehr. Ich erinnere mich, dass laut ihm der „entgangene Wärmegewinn“ bei einer gedämmten Fassade etwa 7 % der Energieeinsparung durch die Dämmung beträgt.

    „Sein Ansatz für energieeffiziente Sanierungen berücksichtige die bauphysikalischen Eigenschaften von Gebäudefassaden. „Das bedeutet, die Materialeigenschaften massiver Wände haben einen positiven Einfluss auf das Wärmeverhalten des Gebäudes, der jedoch in herkömmlichen Berechnungsverfahren unberücksichtigt bleibt.““

    Genau dazu wünsche ich mir detaillierte und nachvollziehbare Informationen. Vielleicht können wir die ja im nächsten Heft bekommen.

    Antworten
  3. Hallo.
    Die von ihm genannte Lebensdauer von 10 Jahren von Dämmstoffen ist, genau wie von Herrn Müller beschrieben, falsch.
    Bin auch darüber gestolpert, kurz gegoogelt und dann gesehen dass die meisten Angaben so bei 25 Jahren liegen.

    Antworten
  4. Ich lese mit Freude das Positionspapier der Bayerischen Architektenkammer zur Energiewende, das uns Architekten in die Verantwortung zum Gelingen der Energiewende nimmt. Auch die Stellungnahme der BAK zum Referentenentwurf des geplanten Gebäudeenergiegesetz steht im Widerspruch zu den Aussagen von Karim El Ansari.
    Ich kann daher einen Artikel, der komplett gegensätzlich zu Positionen der ByAK bzw. BAH steht und von der Redaktion umkommentiert veröffentlicht wird nicht begreifen. Ohne die Aufbereitung der Inhaltstiefe des Artikels zu kommentieren, stellt sich mir die Frage über den Ziele dieses Artikels. Ich wünsche mir eine nachträgliche Stellungnahme seitens der BAK.

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