Häufig vergeblich, findet Professor Horst Thomas aus Flörsheim am Main
Es hört sich erst einmal ganz gut an: unterschiedliche Bewertungen, Uneinigkeit, Streit. Dann kommt der Schlichter, der nicht nur die Parteien anhört, sondern auch erreicht, dass man sich gegenseitig zuhört, miteinander spricht und die Haltung der Gegenseite verstehen lernt. Das Mediationsergebnis liegt dann irgendwo zwischen den ursprünglich weit auseinanderliegenden Positionen. Und beide Seiten können damit leben.
Klappt das auch bei städtebaulichem Dissens und Raumordnungskonflikten? Stuttgart 21 ist ein aktuelles Beispiel. Der Mediator Heiner Geißler bemüht sich sehr, alles zu verstehen. Dann zieht er sich zurück und verkündet sein Ergebnis: „Ja, es kann gebaut werden.“ Das Ergebnis liegt aber nicht irgendwo in der Mitte; das kann es auch nicht, denn „ein bisschen schwanger“ geht halt nicht. Der Schlichterspruch mit seinen Verbesserungsvorschlägen würde den Bahnhof sogar noch teurer machen – wo doch die immensen Kosten ein Grund für die Ablehnung waren. Friede? Nein, der Kampf geht weiter. Die Mediation hätte man sich schenken können.
In Frankfurt gab es in den 1990er-Jahren ein Mediationsverfahren für den Flughafen-Ausbau, das die damalige rot-grüne Landesregierung im Vorfeld eingesetzt hatte. Das Ergebnis war: Ausbau ja, aber mit Nachtflugverbot. Das erste Problem war, dass der Ausbau bewusst nicht verortet war. Dann kam ein Regierungswechsel, und es blieb Roland Koch als hessischem Ministerpräsidenten vorbehalten, aus dem Mediationsergebnis Schritt für Schritt das zu machen, was er schon lange wollte: den Flughafen um jeden Preis ausbauen. Zunächst brauchte er noch das Ergebnis und versprach ein Nachtflugverbot – für die Erlangung der Beschlüsse und Genehmigungen. Doch schließlich wurde ein Ausbau realisiert, der all das weggelassen hat, was die Mediation für den Schutz der Bevölkerung vorgesehen und die Politik zunächst versprochen hatte. Durch die veränderten Flug- und Landerouten wurden 300 Quadratkilometer der Rhein-Main-Region zusätzlich massiv verlärmt. Das Ergebnis der Mediation wurde pervertiert – man hätte sie sich schenken können.
Auch vor dem Neubau des Berliner Großflughafens gab es ein Mediationsverfahren. Dort aber wurden im Vorfeld die Flugrouten falsch und unvollständig bekannt gegeben, um Unruhe zu vermeiden – das alles mit dem Ziel, möglichst weit fortgeschrittene Fakten zu schaffen. An der Mediation wurden viele jetzt Betroffene gar nicht beteiligt. Das hätte man sich genauso gut schenken können.
Meist erfolgreich, hält Landschaftsarchitektin und Mediatorin Susanne Elnain-Weiser aus Frankfurt dagegen
Mediation ist eine Methode für die Bearbeitung von Konflikten, bei der ein neutraler Dritter die Parteien anleitet, eigene, wertschöpfende Lösungen zu finden und ein Verständnis für die „andere Seite“ zu entwickeln – so eine in Fachkreisen verwendete Definition. Als Beispiel für die Chancen, die sich aus anfänglichen Konflikten entwickeln können, sei an erster Stelle das größte deutsche Mediationsverfahren genannt, das Projekt „Zukunft Landwehrkanal“ in Berlin. 2007 lösten Baumfällungen am denkmalgeschützten Kanal heftige Widerstände aus. Die danach eingeleitete Mediation ist noch nicht abgeschlossen, doch scheint eine gemeinsame Lösung greifbar. Einvernehmliche Lösungen wurden bereits ab dem Jahr 2000 für den Ausbau des Flughafens Wien erarbeitet, um die Belastung der betroffenen Bevölkerung verträglich zu gestalten.
In England und den USA ist „Community Mediation“ um Konflikte im Lebensumfeld schon lange etabliert. In den USA enden 85 Prozent aller Verfahren mit einer fast immer nachhaltigen Einigung. 95 Prozent der Konfliktparteien bekunden hinterher, sie würden sich wieder an einer Mediation beteiligen. Grund für die hohe Erfolgsquote ist, dass die Konfliktpartner selbst und nicht Dritte die für sie akzeptablen, tragbaren Lösungen finden. Aufgabe des Mediators ist es, hinter den zunächst verhärteten Positionen verborgene Bedürfnisse und Interessen herauszuarbeiten, die in der Lösung Berücksichtigung finden. All das führt zu hoher Identifikation mit dem Ergebnis.
Doch Mediation ist kein Allheilmittel, das für sämtliche Konflikte geeignet ist. Sie droht zu scheitern, wenn der Mediator nicht hinreichend ausgebildet und nicht neutral ist, wenn eine oder mehrere Parteien nicht teilnehmen wollen, wenn eine Mediation nicht ergebnisoffen oder eine Partei nicht uneingeschränkt geschäftsfähig ist.
Immer wieder wird Mediation wegen umstrittener Verfahren pauschal infrage gestellt. Aber diese sind untypisch: Das Verfahren um den Ausbau des Frankfurter Flughafens hatte erhebliche Mängel. Die Mediation um den Berliner Flughafen war von Beginn an eingeschränkt. Das Verfahren bei Stuttgart 21 mit einem Vorschläge unterbreitenden Schlichter schließlich stellte keine Mediation dar. Diese sollte nicht wegen weniger Ausnahmefälle pauschal infrage gestellt werden. Meist weist sie bei vergleichsweise geringem Aufwand einen für alle Beteiligten gangbaren Weg – und sie ist ein faires, schnelles und flexibles Verfahren.
Mediation: ein Konfliktfall
DAB regional Ost Ausgabe 04/2012, Seite 12
An den beiden Berichten ist deutlich zu erkennen, wie wichtig es ist, die Verfahren Mediation und Schlichtung zu differenzieren.
In dem Beitrag von Prof. Thomas zeigt sich das Dilemma. Bereits sprachlich ist nicht deutlich erkennbar, welche Methode beschrieben und kritisiert wird. Es wird zum einen vom Schlichter gesprochen und andererseits von der Mediation.
Eine Differenzierung ist wichtig, nicht jedes Verfahren ist für jeden Konflikt geeignet.
Bei einer Schlichtung sind es eben nicht die Konfliktparteien, die eine Lösung für ihren Konflikt formulieren, sondern es gibt einen Schlichterspruch. Die Dritte Instanz, der Schlichter, trifft die Entscheidung, wie der Konflikt gelöst werden soll.
Das führt bei den Konfliktparteien sehr häufig zu einer Unzufriedenheit mit dem Verfahren und dem Ergebnis.
In einer Mediation erarbeiten die Konfliktparteien die Lösung. Der allparteiliche Mediator unterstützt sie dabei und strukturiert das Verfahren. Gemeinsam die Lösung für einen Konflikt zu finden, bedeutet die Bereitschaft vertrauensvoll und wertschätzend miteinander umzugehen. Wichtig ist, dass alle am Konflikt Beteiligten an der Mediation teilnehmen. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen der Mediation ist die Vertraulichkeit. Nicht immer ein leichter und einfacher Weg von den Forderungen zu den Interessen der Konfliktparteien zu kommen. Weil in einer Mediation die Konfliktparteien die Lösung selbst erarbeiten, ist die Akzeptanz groß, das Ergebnis anzuerkennen Das ist meine Erfahrung aus der Arbeit als Architektin und Mediatorin.
Signe Stein
Architektin MPH
Sachverständige für barrierefreie Architektur, Städtebau, Außenraum und Gestaltung, Sicherheitsingenieurin, Mediatorin
Zum Artikel „Mediation: Ein Konfliktfall“
Siehe http://dabonline.de/2012/04/01/mediation-ein-konfliktfall/
Ich stimme der Analyse von Professor Horst Thomas zu:
Die meisten politischen Mediationen hätte man sich schenken können.
Zu Stuttgart 21 gab es ein Schlichtungsverfahren, kein Mediationsverfahren, das man sich ebenfalls hätte schenken können, denn das Ergebnis des Verfahrens hieß laut Heiner Geißler (CDU) „Stuttgart 21 plus“. Ein grundsätzlich unsinniges Verkehrsprojekt wird aber nicht durch ein paar „plus“ – Auflagen sinnvoller. Deswegen protestieren die GegnerInnen des Projektes, die meines Wissens gegen den Schlichterspruch waren, auch trotz der Schlichtung bis heute öffentlich weiter gegen das geplante unterirdische, Milliarden schwere Bahnhofsprojekt, das viel weniger Kapazitäten hat, als der bestehende Kopfbahnhof, dafür aber jede Menge bauliche Risiken birgt. – Allerdings berichten die Medien kaum noch über den Protest.
Das von Landschaftsarchitektin und Mediatorin Susanne Elnain-Weiser kurioserweise als vorbildliches Beispiel genannte größte deutsche Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“, das über sechs Jahre dauerte und mehr als 1, 7 Mio. Euro kostete, hätte man sich, u.a. im Interesse der SteuerzahlerInnen, ebenfalls sparen können.
Die Mehrheit (!) der ursprünglich involvierten unentgeltlich engagierten BürgerInnen hatte in den letzten Jahren des künstlich aufgeblasenen Berliner Verfahrens gar nicht mehr an den schier endlosen Verfahrenssitzungen teilgenommen, weil das Verfahren schlecht strukturiert war und weil involvierte Ämter sich regelmäßig nicht an Absprachen und an mühselig erreichte Verhandlungsergebnisse hielten.
Es fand also eine Abstimmung mit den Füßen statt über diese Art der BürgerInnenbeteiligung. Allein deshalb gab es am Schluss keine „gemeinsame Lösung“, denn die Mehrheit der engagierten BürgerInnen war am Ende des unerträglich zähen Verfahrens ja gar nicht mehr da !
Selbst eine im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstellte Evaluation des Verfahrens kommt z.T. zu einem vernichtenden Urteil über das Verfahren.
Übrigens: Die seit Jahrzehnten marode, denkmalgeschützte innerstädtische Bundeswasserstraße Landwehrkanal, an der 400.000 AnwohnerInnen wohnen, verfällt bis heute weiter.
Die einst groß gefeierte Mediationsvereinbarung vom Ende des Mediationsverfahrens in 2013 ist in der Praxis wertlos.
In der Mediationsvereinbarung schriftlich fixierte Regeln der BürgerInnenbeteiligung werden von verschiedenen Ämtern regelmäßig nicht eingehalten. Die AnwohnerInnen kämpfen heute immer noch gegen unnötige Baumfällungen, so als hätte es das Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“ nie gegeben.
Die Bundesbehörde Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) hat den BürgerInnen jüngst geraten, doch zu klagen oder zu demonstrieren, als sie sich darüber beschwerten, das die Mediationsvereinbarung wieder einmal gebrochen wird, indem der SanierungsBEGINN kürzlich auf das Jahr 2020 verschoben wurde.
Soviel zu den „Chancen“ des Verfahrens, die sich angeblich eröffnet haben sollen.
Das die Mediation ein „faires, schnelles und flexibles Verfahren“ sein soll, wie Mediatorin Susanne Elnain-Weiser schreibt, diese Erfahrung habe ich in dem von ihr an erster Stelle genannten über sechs Jahre langen Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“ in keinster Weise gemacht.
Leider berichten die Medien viel zu selten fundiert und kritisch über politische Mediationsverfahren, so dass sich die SteuerzahlerInnen, die ja diese Verfahren letztlich bezahlen müssen, kaum ein differenziertes Bild machen können.
Hintergrundinfos:
http://www.freitag.de/autoren/a-guttzeit/landwehrkanal-ueber-ein-unnoetiges-verfahren/
http://www.freitag.de/autoren/a-guttzeit/das-wunder-vom-landwehrkanal-1
http://buergerfuerbaeume.sharepoint.com/Pages/5vor12.aspx
Aktionsbündnis „Landwehrkanal für alle“, http://unserkanal.blogspot.nl/