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Architekturbüros entwickeln eigene Modulbau-Systeme

Flexible Modulsysteme sind im Trend. Architektonisch ist das nicht immer ein Augenschmaus. Zwei Architektur­büros sind angetreten, es besser zu machen – und haben sich mit Planung und Vertrieb eigener Module ­selbstständig gemacht.

30.10.20246 Min. Von Stefan Kreitewolf 1 Kommentar schreiben
Innenraum eines Learning Hub als Modulbau mit Holzkonstruktion

Das Holz-Stahl-Hybridsystem BetaPort ist von Beginn an von der Demontage aus konzipiert, zu sehen zum Beispiel hier in einem Learning Hub in Leipzig.
Naaro

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Heute hier, morgen dort“ im Deutschen Architektenblatt 11.2024 erschienen

Städte wachsen, Raum fehlt, Sanierungen drängen – da sind Modulbauten gerade sehr gefragt. Auch die Politik spricht sich immer häufiger für die reproduzierbaren Gebäude aus. Schneller, unkomplizierter und kostengünstiger lauten die damit verbundenen Hoffnungen. Doch diese werden nur zu Teilen Realität.

Eigene Systemlösungen für bessere Architektur im Modulbau

Oft entstehen ästhetisch und baukulturell fragwürdige Lösungen. Das ruft Architektinnen und Architekten auf den Plan, die sehen, wie man es besser machen kann.

Inzwischen ist Werner Sobek, mit seinen Aktivhaus-Modulen allbekannter Vorreiter, nicht mehr alleine auf weiter Flur. Auch jüngere Kollegen entwickeln eigene Systemlösungen, die innovative Bauprozesse mit einem tiefen Bewusstsein für Nachhaltigkeit verbinden wollen.

BetaPort: junges Architektur-Start-up für schnellen Modulbau

So zum Beispiel das Berliner Architektur- und Designstudio Beta Realities. Gegründet im Jahr 2023, widmet sich das Team der Entwicklung von flexiblen und modularen Gebäudesystemen, die sich nicht nur den aktuellen, sondern auch zukünftigen Bedürfnissen anpassen können. Ein eigens dafür gegründetes Technologie-Start-up, Urban Beta, liefert das geeignete Modulsystem.

Architekt Marvin Bratke, Mitgründer von Beta Realities, sagt, auf dem Markt habe er zwar gute Ansätze gesehen, „aber keine Lösungen, die unsere Vorstellung von innovativer und skalierbarer Architektur abbildeten“.

Also setzte er sich mit dem befreundeten Architekten Paul Clemens Bart an den Rechner und entwickelte ein modulares System nach ihren Vorstellungen: das BetaPort-System. „Durch die Möglichkeiten, nicht nur BIM-Daten in der Planung zu erfassen, sondern auch Fertigungsdaten in unsere Modelle einzuspeisen, erreichen wir einen nahtlosen Prozess mit einem hohen Grad an Automatisierung“, erklärt Paul Clemens Bart.

Leicht rückbaubares Holz-Stahl-Hybridsystem

Ihr Holz-Stahl-Hybridsystem ist von Beginn an von der Demontage aus konzipiert, sodass es leicht rückgebaut und neu zusammengesetzt werden kann.

Im Rahmen der Skelettbauweise sind die Fassaden vormontiert. Bodenplatten werden in den Skelettbau eingesetzt, genauso wie der Innenausbau. Das schafft Flexibilität bei der Planung und ermöglicht eine effizientere Logistik dank optimierter Stapelbarkeit.

Mobility Hub als Holz-Modulbau auf einem festival mit Auto davor

Die Teile, mit denen beispielsweise ein „Mobility Hub“ aufgebaut wird (hier auf dem Greentech Festival 2022), können danach für andere Projekte neu zusammengesetzt werden.
Naaro

Modulbau aus kreislauffähigen Baumaterialien

Darüber hinaus war den beiden jungen Architekten wichtig, dass alle Baumaterialien kreislauffähig oder recycelbar sind. Dafür arbeitet BetaPort einerseits mit nachwachsenden Baustoffen wie Holz, andererseits mit Materialpässen und lösbaren Verbindungen.

„Die Trennung der Lebenszyklen unserer Bauteile von der durchschnittlichen Lebenszeit eines Gebäudes von etwa 30 bis 50 Jahren ist der Schlüssel unseres Systems“, erläutert Marvin Bratke.

Von der Immobilie zur Mobilie

Der Berliner spricht von der „Transformation von der Immobilie zur Mobilie“, um den Kern seiner Philosophie zu beschreiben. Mit seinen modularen Gebäuden möchte er eine dynamische und nachhaltige Stadtentwicklung ermöglichen, bei der sich Infrastruktur und Gebäude den ständig wechselnden Anforderungen anpassen.

So wurden beispielsweise beim Bau eines Learning Hubs in Leipzig (erstes Foto) rund 80 Prozent der Bauteile aus einem früheren Mobility-Hub-Projekt (zweites Foto) wiederverwendet. Diese Umnutzung ist ein Beispiel für das Leitmotiv des Unternehmens: Was heute als Infrastrukturelement genutzt wird, kann morgen zu einem Bildungscampus oder einer Kindertagesstätte umgebaut werden.

Business Development als Architekt

„Und durch die Reduzierung von Fehlerquoten bei Planung und Bau sowie einfachere Planungsprozesse können wir Gebäude nicht nur schneller bauen, sondern auch bezahlbar ermöglichen“, sagt Marvin Bratke stolz.

Seine Arbeit als Architekt hat sich durch die Firmengründung ganz schön verändert, wie er konstatiert: „Neben der Gestaltung von Gebäuden ist unser Alltag nun geprägt von der Überlagerung vieler Themenbereiche wie Business Development, PR, Marketing und Buchhaltung.“

Basisdemokratischer Ansatz im Planungsbüro

Das kann manchmal ziemlich viel werden. Seine Aufgabe sieht Marvin Bratke daher darin, „ein starkes Team zu koordinieren, das gut zusammen funktioniert, damit wir gemeinsam Aufgaben lösen“. Sie setzen dabei auf einen „basisdemokratischen Ansatz“, oder wie Marvin Bratke nach kurzem Zögern formuliert: „Von vielen für viele.“

So trete das achtköpfige Team von Beta Realities und das sechsköpfige Team von Urban Beta vielen Entscheidungen im Dialog gegenüber, „was uns meiner Meinung nach sehr flexibel macht und uns immer wieder neue Aufgaben bewältigen lässt“.


Mobispace: etablierte Architektur-Firma für Modulbau-Schulen

Während die Berliner von Beta Realities noch am Anfang ihrer Gründungsgeschichte stehen, haben ihre Darmstädter Berufskollegen von mobispace – eine Ausgründung des Architekturbüros werk.um architekten – diese schon einige Jahre hinter sich.

Auch hier entstand die Idee, eigene Module zu entwickeln, aus dem Bedarf heraus. Spezialisiert auf Schulbau und Sanierungen, waren die Architekten immer wieder mit der Forderung nach temporären und schnell zu realisierenden Ersatzbauten konfrontiert.

Modulbau-Schule mit Holzfassade, davor sitzen Schüler im Sonnenschein und machen Mittagspause.

Erweiterung einer Darmstadtädter Schule mit Modulen von mobispace, geplant von werk.um architrekten.
mobispace

Viele Anforderungen an Schulbauten lassen sich standardisieren

Der Einsatz von Baustellencontainern, die die besonderen Bedürfnisse von Schulen mehr schlecht als recht erfüllen, brach ihnen nicht nur das gestalterische Herz. Dabei wiederholten sich ihrer Erfahrung nach viele der Anforderungen an Schulbauten und ließen sich durchaus standardisieren! Eine Marktlücke war entdeckt, die Idee eigener Schul-Module geboren.

„Der Bedarf an flexiblen Schulbauten ist riesig“, sagt Andreas Höck, Architekt und Projektentwickler bei mobispace, und ergänzt: „Plötzlich braucht eine Kommune innerhalb kürzester Zeit eine neue Schule, zum Beispiel weil sich der Bedarf ändert oder weil ein altes Schulgebäude nicht mehr genutzt werden kann.“

Modulbau baurechtlich, technisch und funktional für Schulen optimiert

Genau hier setzt mobispace an: Das Holzbausystem ist so konzipiert, dass es schnell aufgebaut und ebenso leicht demontiert werden kann. Die vorgefertigten Raumeinheiten sind auf die baurechtlichen Anforderungen an Schulen bezüglich Schallschutz und Akustik, Brandschutz und Barrierefreiheit abgestimmt.

Auch baubiologische Regularien, besonders in Bezug auf Schadstoffe, sowie funktionale Anforderungen wie Flurbreiten, Klassenraumgrößen, Sanitäranlagen, Mensa und Ganztagesbetreuung wurden schon bei der Entwicklung mitgedacht.

Der Einsatz der Module reicht von einfachen Klassenzimmern mit einer Größe von nicht mehr als 60 Quadratmetern bis hin zu ganzen Schulkomplexen mit bis zu drei Stockwerken und Hunderten von Quadratmetern.

Breiter Schulflur mit blauem Linoleum und bodentiefer Fensterfront.

Im Mai 2020 wurde die dreigeschosige Schulerweiterung mit neun Klassenräumen, Musiksaal, Mensa, Lehr- und Aufwärmküche bezogen.
mobispace

Herausforderungen der wiederholten Montage und Demontage

Ein entscheidender Vorteil des Systems ist dabei die Wiederverwendbarkeit als Schulbauten. „Die Module können mehrfach an verschiedenen Standorten eingesetzt werden“, erläutert Andreas Höck. Das ermögliche nicht nur eine schnelle Reaktion auf kurzfristige Bedarfe, sondern biete auch eine gewisse Nachhaltigkeit.

Irgendwann müssen die Module aufgrund von Verschleiß recycelt werden. Eine besondere Herausforderung der mehrfachen Montage und Demontage besteht indes darin, die horizontale Lastabtragung und die räumliche Aussteifung sicherzustellen.

Steckverbindungen und Verspannungen für Dauerhaftigkeit im Modulbau

„Dafür kommen teilweise Steckverbindungen und Verspannungen zum Einsatz, die durch lösbare Verschraubungen ergänzt werden“, erklärt Andreas Höck.

Genug zu tun gibt es für Andreas Höck und sein Team – sowohl heute als auch in den kommenden Jahren. Seine Bauteile sollen eigenen Angaben zufolge übrigens 150 Jahre halten. Wie sagt man so schön: Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium.

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