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[ Recht ]

Gefällig hereingefallen

Auch wer ohne Auftrag und Bezahlung plant, haftet oft für Mängel

Text: Carsten Eichler

Immer wieder sollen Architekten und Ingenieure, manchmal auch gegen ihren Willen, Planungsleistungen unentgeltlich als „Gefälligkeit“ erbringen. In einem jetzt endgültig entschiedenen Fall wurde ein Statiker schriftlich mit den Leistungsphasen 1 bis 4 des Leistungsbildes Tragwerksplanung gemäß § 64 HOAI 1996 ­beauftragt, aber nicht ausdrücklich mit ­Planungsleistungen hinsichtlich der Verbauarbeiten. Dennoch legte der Statiker einen als „Ausschreibungsplanung“ bezeichneten Satz mit Verbauplänen vor und passte ihn mehrfach an. Diese Verbaupläne wurden vom Bauherrn anschließend als Grundlage sowohl der Ausschreibung der Verbauarbeiten als auch der Rohbauarbeiten verwendet.

In den Verbauplänen waren jedoch die Grundstücksgrenzen nicht abgebildet und durch Bedenkenhinweise des vom Bauherrn beauftragten Tiefbauunternehmens stellte sich nach dessen Beauftragung heraus, dass die Elektro- und Telefonleitungen im Plan als außerhalb des Verbaus liegend ausgewiesen waren, tatsächlich aber im Bereich des Verbaus lagen. In der Folge mussten die Leitungen zunächst verlegt werden. Dies trug zu einer Verzögerung des Baubeginns bei. Die Bauunternehmen machten hierfür Mehrkosten von über 100.000 Euro geltend, die der Bauherr gegenüber dem Statiker einklagte.

Der Statiker wurde vom Landgericht Stuttgart zu Schadenersatz verurteilt (Urteil vom 09.12.2011 – 20 O 349/06). Seine Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 06.09.2012 – 2 U 3/12) und eine Beschwerde beim BGH blieben ohne Erfolg.
Der Statiker wäre nur davongekommen, wenn ein sogenanntes Gefälligkeitsverhältnis mit einem ausschließlich „außerrechtlichen Geltungsgrund“ vorgelegen hätte. Dazu gehören zum Beispiel Freundschaft, Kollegialität oder Nachbarschaft. Dann handelt es sich regelmäßig lediglich um Gefälligkeitsverhältnisse, die keinen Leistungs- und Haftungsanspruch begründen.

Ob ein solches Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, beurteilt die Rechtsprechung dabei immer nach den Umständen des Einzelfalles. Nur der Wille zu einer Rechtsbindung begründet demnach ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.

Ein Rechtsbindungswille wird dann angenommen, wenn die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Ausdrücklich kommt es dabei jedoch nicht darauf an, ob der Handelnde für sein Tätigwerden eine Vergütung verlangt hat oder nicht.
Die Gerichte waren sich im vorliegenden Fall in ihren Entscheidungen einig, dass seine Leistungserbringung, nämlich die Erstellung der Verbaupläne, für den Statiker mit Vertragsbindung und nicht als reines Gefälligkeitsverhältnis mit ausschließlich außerrechtlichem Geltungsgrund geschuldet war. Grundsätzlich ist im Rahmen der Leistungsphasen 1 bis 4 nach § 64 HOAI eine Ausschreibungsplanung für den Verbau zwar nicht geschuldet.

Der Statiker hat im vorliegenden Fall die Übernahme der Ausschreibungsplanung Verbau jedoch faktisch übertragen bekommen und auch vollzogen. Er erstellte den Plan auf Bitte des als Generalplaner beauftragten Architektenbüros, allerdings ausdrücklich zu dem Zweck, den in die Vergabe einbezogenen Werkunternehmern die Abgabe eines Angebots und eine ordnungsgemäße Kalkulation der anzubietenden Bauleistungen zu ermöglichen. An ihn wurden dabei genaue Anforderungen gestellt, und er wurde mit entsprechenden, mehrfach ergänzten Arbeitsunterlagen versehen. Aus Sicht des Gerichts bestand also eine weitreichende Auftragsanforderung, sodass angesichts der erheblichen Bedeutung des planerischen Ergebnisses für die Ausschreibung nicht in Zweifel gezogen werden könne, dass der Auftraggeber eine ordnungsgemäße und mangelfreie Leistung erwartete und erwarten konnte.

Diese vorgegebene, allgemein ersichtliche Leistungsanforderung bestand danach in einer genauen planerischen und zeichnerischen Erfassung der örtlichen Gegebenheiten, um den Bauunternehmern zu ermöglichen, die örtlich-räumlichen Verhältnisse für die kalkulatorische, aber auch die arbeitstechnische Planung aufzunehmen und zu berücksichtigen. Hierzu gehört, dass die Grundstücksgrenze in diesem Plan enthalten sein muss sowie, dass Sparten-Anlagen, wie die streitigen Elektro- und Telefonleitungen, zutreffend eingezeichnet sein müssen. Diese fehlten jedoch. Daher haftete der Statiker für die Verzögerungsschäden, die nach der Entdeckung der falschen Eintragungen entstanden – auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung.

Sorgsamkeit auch bei unbezahlter Arbeit

Selbst wenn die Entscheidung, ob eine unbezahlte Tätigkeit zu Haftungsfolgen führen kann, immer „im Einzelfall“ getroffen wird, ist in der deutschen Rechtsprechung doch eine deutliche Tendenz dahingehend zu erkennen, dass Architekten und Ingenieure, aber zum Beispiel auch ausführende Unternehmen im Rahmen von Lösungsvorschlägen nach einem Bedenkenhinweis für faktisch erbrachte Planungsleistungen haften. Das gilt unabhängig davon, ob diese ursprünglich in dem Auftragsumfang enthalten waren oder ob sie bezahlt werden. Selbstverständlich sollten also auch bei unentgeltlich erbrachten Tätigkeiten immer die üblichen Sorgfaltsmaßstäbe bei der Planung angelegt werden oder es sollte, wenn möglich, vermieden werden, solche Arbeiten ohne konkreten Auftrag und Bezahlung zu erbringen.

Carsten Eichler ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds in München und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

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